Presseerklärung der Roten Hilfe Ortgruppe Heidelberg zur staatlichen Repression gegen Aktivisten aus dem antifaschistischen Widerstand

Heidelberg, 20.08.2003

Im Zusammenhang mit dem antifaschistischen Widerstand gegen insgesamt drei Naziaufmärsche im hohenloheschen Schwäbisch Hall (Juni/Juli 2003) kam es innerhalb kurzer Zeit zu einer Vorladung zur (präventiven) ED-Behandlung beim Staatsschutz im baden-württembergischen Heidelberg sowie zu einer Hausdurchsuchung beim Betreiber einer antifaschistischen Homepage im hessischen Fürth. Es ist damit zu rechnen, dass die staatlichen Ermittlungsbehörden diese Kriminalisierung zu einer ganzen Repressionswelle gegen linke AktivistInnen ausweiten werden.

Nachdem bereits vor mehr als einer Woche ein Antifaschist aus Heidelberg unter ausdrücklicher Berufung auf den § 81 b StPO, der es den staatlichen Ermittlungsbehörden ermöglichen soll, auch politisch aktive Personen – in Extremfällen ohne deren Verwicklung in laufende Strafverfahren sogar „präventiv“ - einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, zum Heidelberger Staatsschutz geladen worden war, ist nun Folgendes bekannt geworden:
Am gestrigen Morgen um 8.20 Uhr „besuchten“ vier Polizisten einen Antifaschisten in dessen Wohnung in Fürth (Hessen). Unter den vier Schnüfflern befand sich ein Staatsschützer aus Heppenheim, der auch am 11. Juli 2003 vor Ort gewesen war, als im ebenfalls hessischen Rimbach bereits eine Hausdurchsuchung wegen der angeblichen „Teilnahme [des Betroffenen] an gewalttätigen Ausschreitungen anlässlich des EU- Gipfels in Göteborg (14./15.06.2001)“ stattgefunden hatte.

Bei der gestrigen Hausdurchsuchung, welche die Darmstädter Staatsanwaltschaft wegen „Verstoßes gegen § 111 StGB“ angeordnet hatte, ging es darum, dem Beschuldigten nachzuweisen, dass er als Betreiber der antifaschistischen Homepage www.ainfos.de eindeutig zu Gewalt aufgerufen habe: Auf ebendieser Homepage sei nämlich unter der Rubrik „Die Nazi-Aufmärsche in Schwäbisch Hall stoppen“ ein Bild des ehemaligen James Bond-Darstellers Sean Connery zu sehen, der gerade einen ins Bild montierte Baseballschläger schwinge und dabei mit den Worten zitiert werde: „Nazis machen schlechte Laune, also WEG DAMIT!“ Und diesem „Aufruf zu Gewalt“ seien ja dann auch einige AntifaschistInnen in Schwäbisch Hall nachgekommen, als sie am 14.06., am 21.06. und am 12.07. dieses Jahres versuchten, Nazi-Aufmärsche gegen die zu dieser Zeit dort präsentierte Wehrmachtsausstellung zu stoppen.

Beschlagnahmt wurden zwei PCs (der des Beschuldigten und der seines Vaters, bei dem er wohnt), eine Videokassette, mehrere CD-Roms und „linke Schriftstücke“ (Aufkleber, Flugblätter, Protokolle usw.). Aber damit nicht genug: Daraufhin drohten sie dem Domain-Inhaber der antifaschistischen Homepage damit, ihn „jetzt gleich“ mitzunehmen: zur ED-Behandlung. Das konnte der von Repression Betroffene unter Hinweis auf die frühe Uhrzeit noch verhindern; trotzdem musste er sich mehr als vier Stunden später auf der Wache einfinden, um sich dort dann doch noch erkennungsdienstlich behandeln zu lassen.

Auf der Wache wurde dann sehr schnell klar, dass der „Tatverdacht“, auf einer antifaschistischen Homepage „erfolgreich“ zu „Gewalt gegen Nazis“ aufgerufen zu haben, ein Vorwand war, um die Möglichkeiten zu verbessern, politische Szenezusammenhänge auszuleuchten. Auf der Wache wurde der Betroffene – obwohl er die Vernehmung verweigerte - dann nur noch gefragt, wer außer ihm denn noch hinter diesem Projekt stecke, wie viel Zeit er und andere investierten, wer noch so alles mitarbeite usw.

Die Rote Hilfe e. V. Ortsgruppe Heidelberg geht - auch im Hinblick auf die polizeilichen Verlautbarungen im Vorfeld der drei Nazi-Aufmärsche in Schwäbisch Hall im Juni/Juli dieses Jahres - davon aus, dass die staatlichen Ermittlungsbehörden ein „von außen“ gesteuertes antifaschistisches Widerstandspotenzial konstruieren, um mit Hilfe dieses Feindbildes dann in nächster Zeit in repressionstechnischer Hinsicht besser agieren zu können. Wir befürchten, dass alle linken Menschen, die in irgendeiner Weise zu den antifaschistischen Protesten in Schwäbisch Hall aufgerufen haben oder gar selbst dort anwesend waren, mit vermehrten Attacken von Ermittlungsbehörden rechnen müssen.

Solltet auch ihr wegen des linken Widerstandes in Schwäbisch Hall Opfer staatlicher Repression werden, dann wendet euch schnellstmöglich an die Rote Hilfe Ortsgruppe Heidelberg oder an irgendeine andere solidarische Anti-Repressionsorganisation in eurer Nähe.

Wir protestieren hiermit entschieden gegen die Kriminalisierung linken Widerstandes und fordern die Einstellung aller Verfahren gegen AntifaschistInnen sowie die Vernichtung aller erhobenen Daten.

Kampf der staatlichen Repression!