Liebe Kriegsgegnerinnen, liebe Kriegsgegner,

es ist gut zu wissen, dass es so viele Menschen sind, die gegen den Krieg im Irak auf die Straße gehen und protestieren.
Auch wir sind wütend darüber, wie eine hochgerüstete Streitmacht Tausende von Toten in Kauf nimmt, um wirtschaftliche und machtpolitische Interessen durchzusetzen. Dass Demokratie und Menschenrechte als fadenscheinige Begründung dafür herhalten müssen, macht die Sache nur noch schlimmer.
Trotzdem möchten wir euch bitten, genau hinzuschauen und hinzuhören bei den Parolen, Slogans und Reden, die bei den Friedensdemos der letzten Wochen aufgetaucht sind.

Die rot-grünen „Retter des Völkerrechts“
Tatsächlich: Die USA und Großbritannien haben in diesem Krieg das Völkerrecht kurzerhand über den Haufen geworfen. Das ist ein Zeichen dafür, wie wenig kapitalistischen Staaten selbst die eigenen Gesetze und Regelungen wert sind, wenn's drauf ankommt.
Aber wenn heute Grüne und SozialdemokratInnen über den Bruch des Völkerrechts jammern, dann ist das zumindest heuchlerisch. Mit dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien hat sich Deutschland 1999 unter seiner rot–grünen Regierung zum ersten Mal über die geltenden Regeln des Völkerrechts hinweggesetzt. Auch dieser Angriffskrieg wurde ohne den Auftrag der Vereinten Nationen (UN) geführt. Als Begründung mussten damals für Deutschland – genau wie heute für die USA – Menschenrechte, ein „blutrünstiger Diktator“ und eine „humanitäre Katastrophe“ herhalten. Das war damals ebenso verlogen wie heute (gegen das Regime Saddam Husseins war die jugoslawische Regierung geradezu eine Menschenrechtsvereinigung). Unsere rot-grünen „FriedensfreundInnen“ stört momentan also eigentlich nur, dass die USA und Großbritannien jetzt das selbe ohne Deutschland tun, was sie noch vor wenigen Jahren selbst vorgeführt haben.

Nur ein UNO-Krieg ist ein guter Krieg?
Überhaupt: was wäre eigentlich besser daran gewesen, wenn der Krieg mit der Billigung der UN geführt worden wäre (die Entscheidung stand ja auf der Kippe)?
Wäre er dann ein gerechter Krieg?
Nur zur Erinnerung: Die UN und erst recht der UN-Sicherheitsrat sind keineswegs „demokratisch“ gewählte Gremien. Im UN-Sicherheitsrat entscheiden die mächtigsten und reichsten Staaten dieser Welt, auch wenn die Mehrheit der Weltbevölkerung (oder auch nur ihre jeweiligen Regierungen, die ja auch keineswegs demokratisch sind) ganz anderer Meinung sind.
Die USA behandeln den UN-Sicherheitsrat als genau das, was er ist: ein Instrument zur Durchsetzung von Macht- und Wirtschaftsinteressen. Wenn er gebraucht wird, gut. Wenn nicht, wird eben ohne ihn gehandelt. Wer wirklich etwas gegen Krieg hat, der sollte seine Zustimmung nicht davon abhängig machen, ob der UN-Sicherheitsrat ihn beschlossen hat oder nicht.

Gegengewicht Europa?
Den tatsächlichen Gründen vieler „FriedensfreundInnen“ kommt man auf die Spur, wenn man sich ihre Reden genauer anschaut. Da wird beklagt, dass die USA als einzige verbliebene Supermacht das Weltgeschehen bestimmt, und es wird von Europa als einem „zivilisierten Gegengewicht“ gesprochen. Die AmerikanerInnen hätten eben eine „Cowboy-Mentalität“, und Europa sei berufen, eine Kultur des Friedens dagegen zu setzen.
In diesen Reden drückt sich nicht so sehr aus, wie mächtig die USA sind (das ist nun wirklich nichts Neues), sondern wie heftig ein neu entstandener kapitalistischer Machtblock Europa unter der Führung Deutschlands gegen die Macht Amerikas aufmuckt. Dieser europäische Machtblock ist ganz gewiss nicht zivilisiert, moralischer oder friedlicher als die USA.

Erstmals seit dem Sieg über den Nationalsozialismus ist Deutschland in der Lage, wieder als Weltmacht aufzutreten – und das nicht mehr nur wirtschaftlich: Tausende deutscher Soldaten sind schon heute an Kriegsschauplätzen in aller Welt im Einsatz, um eine Weltordnung im Sinne des Kapitalismus durchzusetzen und um die Macht Europas zu demonstrieren.
Auf der Demonstration zum Headquarter am 23. März 2003 hatten sich auch Nazis unter die Demonstranten gemischt – mit Transparenten „gegen die USA und ihre Hintermächte“ (mit Letzterem meinen diese Arschlöcher die Jüdinnen und Juden, die in Deutschland ja immer herhalten müssen, wenn man jemanden braucht, dem man die Schuld in die Schuhe schieben kann).

Gegen den Krieg und seine Ursachen – in jedem Land!
Lasst euch nicht weismachen, dass ihr nur die Wahl hättet zwischen einem größeren und einem kleineren Übel – zwischen Saddam und Bush, zwischen Amerikas Macht oder der Macht Europas.
Kriege entstehen nicht wegen der „Bosheit von Diktatoren“ oder der „Cowboy-Mentalität von Präsidenten“. Sie entstehen, weil in dieser Gesellschaft selbst der Mensch zu einer Ware wird und nichts Anderes zählt, als möglichst viel Profit zu machen. Eine solche gewalttätige Gesellschaft kann gar nicht anders, als ihre Interessen von Zeit zu Zeit auch gewalttätig durchzusetzen.
Wer also wirklich etwas gegen Krieg tun will, darf nicht haltmachen vor seinen Ursachen und muss auch hier gegen Krieg und Kapitalinteressen vorgehen.

Wir sehen uns auf der Straße!

Eure AIHD

PS: Am 19. April 2003 wollen sich die Nazis den weit verbreiteten Antiamerikanismus zu Nutze machen, um in Heidelberg ihre menschenverachtenden Parolen zu verbreiten. Unter dem Motto „Amis raus – Freiheit rein!“ rufen NPD und andere zu einem Aufmarsch auf. Sorgen wir dafür, dass sie darauf die Antwort bekommen, die sie verdienen!
Nazis? No way! Zusammen gegen Krieg und Faschismus!
Kein Naziaufmarsch in Heidelberg!
Treffpunkt für alle, die sich den Nazis entgegenstellen wollen, ist um 11.30 Uhr am Hauptbahnhof.