Die Burschenschaft Normannia
Heidelberg plant am 10. Juli 2004 ein Tagesseminar zum Thema „Deutschland
in der Globalisierungsfalle?!“ durchzuführen. Als Referenten werden
der „ehem. Ordinarius für Historischen Materialismus der DDR“ Prof.
Michael Nier, der „Wirtschaftsberater und Buchautor aus Österreich“
Gerhoch Reisegger, der Münchener „Publizist und Buchautor“ Karl Richter
und der „Leiter des Mittelstandsinstitutes Niedersachsen“ Prof. Eberhard
Hamer angekündigt.
Was den Anschein einer pluralistisch
besetzten und offenen Veranstaltung erweckt, entpuppt sich bei näherem
Hinschauen als eine rechtsextreme Kaderschulung: Drei der genannten (Nier,
Richter und Reisegger) publizieren derzeit in der Zeitschrift „Deutschland
in Geschichte und Gegenwart“ (DGG), die im Tübinger Grabert-Verlag
herausgegeben wird. Letzterer, 1953 mit dem Ziel der Rehabilitierung von
nationalsozialistischen Universitätsdozenten von Herbert Grabert gegründet,
publiziert derzeit mit der Zeitschrift DGG das Zentralorgan revisionistischer
Geschichtsfälschung in der Bundesrepublik.
Bei der eingehenderen Betrachtung
der eingeladenen Referenten finden sich zahlreiche weitere Aspekte, die
eine Verortung in der extremen Rechten erzwingen.
Hintergründe der Referenten des „Globalisierungs“-Seminars der Normannia
Michael Nier ...
Michael Nier, zu DDR-Zeiten
SED-Mitglied und Hochschullehrer für dialektischen und historischen
Materialismus, war zwischen 1998 und 2000 Mitglied der NPD und kandidierte
für diese u.a bei den Sächsischen Landtagswahlen 1999. Nier ist
nach Angaben des „Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus“ (www.idgr.de)
„ein führender Vertreter des nationalbolschewistischen Kurses in der
NPD“ und trat dementsprechend auch als einer der Sprecher des NPD-Arbeitskreises
„Sozialisten in der NPD“ auf.
Beiträge Niers erschienen
bspw. in der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ und der ältesten rechtsextremen
Zeitschrift der BRD „Nation & Europa“.
In jüngerer Zeit veröffentlichte
er in den rechtsextremen Postillen „Signal“ und „Deutschland in Geschichte
und Gegenwart“ und scheint damit nach seinem NPD-Austritt auf der Suche
nach einer neuen politischen Heimat zu sein.
... Gerhoch Reisegger
...
Gerhoch Reisegger, von der
Normannia zum Thema „Die inneren Antriebskräfte der Globalisierung“
geladen, ist in neofaschistischen und offen revisionistischen Kreisen kein
Unbekannter.
So trat er im Januar 2002
auf einer internationalen Revisionisten-Tagung in Moskau auf und ist neben
dem verurteilten Holocaustleugner Horst Mahler u.a. für die „2004
International Revisionist Conference“ in Sacramento (USA) als Redner angekündigt.
Doch nicht nur im Ausland
ist Reisegger ein gern gesehener Referent: Gerade die NPD-Zeitschrift „Deutsche
Stimme“ bemüht sich regelmäßig um ihn. Dementsprechend
sprach Reisegger im Mai 2004 auf dem Kongress „Deutschland im Würgegriff
seiner Feinde – Perspektiven des Widerstandes“ des „Deutsche Stimme Verlags“
und ist auch für das im August wieder stattfindende „Deutsche Stimme
Pressefest“ in Ostdeutschland angekündigt. Bei dieser Veranstaltung
handelt es sich um eines der zentralen neonazistischen Events mit bis zu
4.000 TeilnehmerInnen aus ganz Europa und Übersee.
Neben zahlreichen Beiträgen
für rechtskonservative bis rechtsextreme Zeitschriften, wie z.B. „Die
Neue Ordnung“, „Staatsbriefe“ und „Junge Freiheit“ (JF) ist Reisegger Autor
eines verschwörungstheoretischen Buches mit dem Titel „Wir werden
schamlos irregeführt. Vom 11. September zum Irak-Krieg“ , das im rechtsextremen
Hohenrain-Verlag (Verlagsgruppe Grabert) erschienen ist.
... Karl Richter ...
Auch Karl Richters Vita
liest sich wie die Paradebiografie eines Rechtsextremisten. Ende der 1980er/Anfang
der 1990er Jahre war er Mitarbeiter bzw. Redakteur der rechtsextremen Zeitung
„Junge Freiheit“. Weiter war Richter bisher u.a. Chefredakteur des REP-Parteiorgans
„Der Republikaner“ und von „Nation & Europa“. Der zwischenzeitliche
Bundes- und Landesfunktionär der „Deutschen Liga für Volk und
Heimat“ und Referent bei der neofaschistischen „Gesellschaft für Freie
Publizistik“ wurde zudem 1995 wegen Volksverhetzung verurteilt.
Aktuell wird Richter als
Redakteur der oben bereits erwähnten Zeitschrift „Deutschland in Geschichte
und Gegenwart“ (DGG) geführt. In einem dort von ihm erschienenen Artikel
zum Thema Globalisierung fordert er u.a.: „Anzustreben ist der Schulterschluß
nicht mit den ‚Konservativen’, Konservativ-Liberalen und anderen Kostgängern
des etablierten Endzeitsystems, sondern mit Volkstreuen und Fundamentalisten,
auch nichtdeutschen.“ (DGG 2/2003, wortgleich in „Deutsche Stimme“ 9/03)
... Eberhard Hamer ...
Angesichts dieser Ballung
allzu eindeutiger Gestalten erscheint Eberhard Hamer, Gründer und
Leiter des „Mittelstandsinstitut Niedersachsen“ nahezu als harmlos. Doch
auch bei ihm finden sich Anknüpfungspunkte ins rechtskonservative
bis rechtsextreme Lager. So taucht er bspw. als Autor bzw. Interviewpartner
in der rechtsextremen Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“ (JF) und dem „Ostpreussenblatt“
auf. Auch im rechtspopulistischen „Bund Freier Bürger“ war er bis
Mitte der 1990er Jahre aktiv. Seine wirtschaftspolitischen Positionen werden
darüber hinaus von neofaschistischer Seite sehr geschätzt.
... und die Normannia
Veranstaltungen mit exponierten
Rechtsextremisten stellen bei der Normannia keinen Einzelfall dar, sondern
sind Ausdruck einer langen Kontinuität und des Versuches, rechte Positionen
- bis hin zu offen antisemitischen und nationalrevolutionären - in
den öffentlichen Diskurs einzuführen.
Ist der Ruf erst ruiniert
…
Bereits in den 1990er Jahren
waren Mitglieder der Normannia mit daran beteiligt, eine rechtsextreme
Hochschulgruppe mit dem Namen „Forum 90“ zu etablieren. Sprecher dieser
Gruppe war Wolfgang Unold, seines Zeichens Mitglied der Normannia. Als
dieser Versuch scheiterte, initiierte Unold einen „Konservativen Gesprächskreis“
und bewarb diesen in dem monatlich erscheinenden Periodikum „Junge Freiheit“.
Weiterhin auffällig
waren die regelmäßigen Besuche der Aktivitas der Normannia bei
der „Europaburschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg“ (EBA), in
deren „Farbenheim“ 1995 bei einer Hausdurchsuchung neben NS-Literatur und
SS-Liederbüchern auch Bestelllisten für NS-Propagandafilme, wie
„Der ewige Jude“, sowie NSDAP- und Hakenkreuzfahnen sichergestellt werden
konnten.
In jüngerer Zeit trat
die Normannia insbesondere durch antisemitische Positionierungen in der
Öffentlichkeit auf, wie z.B. als sie bei den Anti-Irakkriegsprotesten
gegen „die USA“ und „ihre Hintergrundmächte“ demonstrierte.
Ein weiterer Höhepunkt
in der langen Kette rechtsextremer Ausfälle war der Vortrag mit dem
verurteilten Rechtsterroristen Erhard Hartung am 12. Mai 2004, in dem die
terroristischen Aktionen österreichischer Burschenschafter, die zum
Anschluss Südtirols an Österreich führen sollten, abgefeiert
wurden.
… lebt´s sich gänzlich
ungeniert!
Der hier Ausschnittsweise
nachgezeichnete Weg, den die Normannia bereits seit den 1990er Jahren hin
zum organisierten Neofaschismus gewählt hat, wird in den letzten Jahren
immer deutlicher und konsequenter gegangen. Mittlerweile kann die Normannia
sicherlich zu den extrem rechten Hardlinern in der „Deutschen Burschenschaft“
gerechnet und als wichtige Adresse des regionalen Neonazismus bezeichnet
werden.
Trotzdem verschließen
sowohl die Stadt Heidelberg als auch die anderen Heidelberger Studentenverbindungen
vor diesem Problem ihre Augen.
So nimmt die Normannia immer
noch an der, jährlich am sog. Volkstrauertag stattfindenden, städtischen
Gedenkfeier auf dem „Ehrenfriedhof“ teil.
Auch der Großteil
der Heidelberger Studentenverbindungen verweigert eine glaubwürdige
Distanzierung von der Normannia. Ein jüngeres Beispiel hierfür
ist die gemeinsame Veranstaltung unter dem Titel „Heidelberger Studentenverbindungen
stellen sich vor“, bei der im Jahr 2003 von nahezu allen Heidelberger Korporationen
verbindungsstudentische Eintracht demonstriert wurde.
Aber nicht ungestört
...
Eine solche Etablierung
extrem rechter Positionen und der zunehmenden neofaschistischen Organisierung
unter dem Deckmantel eines angeblich harmlosen und demokratischen Traditionsvereins
in Heidelberg ist nicht hinnehmbar.
Antifaschismus beschränkt
sich nicht auf die Verhinderung von Neonazi-Aufmärschen, wie in Heidelberg
erfolgreich in den Jahren 1998, 2001 und 2003 geschehen, sondern muss neofaschistischen
Tendenzen aller Art konsequent entgegentreten, gerade wenn diese weniger
augenscheinlich sind.
Nazi-Strukturen aufdecken!
Gegen Faschisten aller
Couleur!
Normannia und andere
Burschenschaften abschaffen!