Nationale Zentren bekämpfen!
Für eine starke antifaschistische Linke!

Am 31.01.2004 sind es genau fünf Jahre, dass die letzte Party im Autonomen Zentrum (AZ) gefeiert wurde. Am nächsten Morgen rückten die Bagger an und machten das Gebäude in der Alten Bergheimer Straße dem Erdboden gleich.
Für uns als Menschen mit antifaschistischem, antisexistischem und antikapitalistischem Anspruch stellte das AZ bis dahin eine wichtige Anlaufstelle dar, in der gemeinsam antifaschistische Arbeit organisiert und politische Ansätze diskutiert und umgesetzt werden konnten.
Seit dem Abriss findet in Heidelberg ein kontinuierlicher Kampf für neue selbstverwaltete Räume statt. Wir als Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) können diesen aus oben genannten Gründen nur unterstützen und beteiligen uns daher an diversen Aktionen für ein neues selbstverwaltetes Zentrum in Heidelberg. Dementsprechend rufen auch wir zu der heutigen Demonstration auf.
Da aber auch Neonazis seit einiger Zeit mit auf den ersten Blick ähnlichen Forderungen nach eigenen „Nationalen Zentren“ in die Öffentlichkeit treten, sehen wir es als unerlässlich an, sich mit deren Zielen auseinander zu setzen, um so klar zu machen, dass zwischen linken selbstverwalteten Projekten und rechten, nationalen Zentren, in welcher Erscheinungsform auch immer, keine Gemeinsamkeiten bestehen.
Bei der Auseinandersetzung mit der Thematik rechter Zentren lassen sich vereinfacht drei verschiedene Strategien erkennen, die wir im Folgenden näher beleuchten wollen.

Käuflicher Erwerb „Nationaler (Schulungs-)Zentren“
In den letzten Jahren mehren sich die Versuche von Neonazis, eigene „Nationale Zentren“ käuflich zu erwerben. Die Kosten für die Immobilien werden dabei aus Partei- bzw. Organisations- oder auch den Privatvermögen reicher Nazis aufgebracht. Die auf diesem Weg erlangten Gebäude können dann als nationale Schulungs- und Freizeitzentren genutzt werden. Angenehmer Nebeneffekt ist das „krisensichere“ Anlegen der Gelder, um sie so vor dem Zugriff bzw. dem Einfrieren im Rahmen von Organisations- und Parteiverboten zu schützen. Auf Beispiele für diese Versuche soll weiter unten noch eingegangen werden.

Das Abkupfern linker Theorien und Praktiken
Eine weitere Möglichkeit für Neonazis, eigene Räume zu erlangen, ist das Für-sich-nutzbar-Machen eigentlich linker Theorien und Praktiken. So wird schon seit geraumer Zeit mit dem, von dem marxistischen Theoretiker Gramsci entworfenen Konzept der kulturellen Hegemonie für eine Strategieänderung in Neonazikreisen argumentiert. Entsprechend werden erfolgreiche Praktiken der Linken für eigene Ziele instrumentalisiert. So propagieren Neonazis mittlerweile Hausbesetzungen als Möglichkeit, um in den Besitz eigener Zentren zu kommen, und führen dies sogar durch. Gleichzeitig wird dazu aufgerufen, das vermeintlich überkommene Denken in „links und rechts“ abzulegen und eine gemeinsame Front gegen die angeblich beide Seiten in gleicher Art betreffenden herrschenden Interessen zu formieren. Dies legitimiert selbstverständlich auch die nahezu unveränderte Übernahme linker Praktiken, wobei das zu erreichende Ziel natürlich weiterhin in der menschenverachtenden Ideologie der extremen Rechten zu verorten ist.

Die „Übernahme“ städtischer Jugendzentren
In Regionen mit einer starken rechten Jugendsubkultur ist ein weiteres Phänomen zu beobachten: Die hier sowieso das Straßenbild prägenden Neonazis stellen auch das Publikum in den städtischen Jugendzentren und versuchen diese zu dominieren. Durch verbale und physische Angriffe, aber auch allein durch die bloße Anwesenheit und damit verbundene ständige Bedrohung werden alle, die nicht in die faschistische Ideologie passen, vertrieben. So kann sich in städtischen Räumen eine rechte Jugend- bzw. Subkultur ausbreiten und die Angebote, die Jugendhäuser stellen, wie z.B. Raum für Konzerte, Partys, Treffen, für sich nutzen. Von städtischer Seite wird nur selten gegengesteuert; das Problem wird vielmehr bagatellisiert und ignoriert. Das Konzept der „akzeptierenden Jugendarbeit“ mit rechten Jugendlichen hat das Seine getan, um solchen Entwicklungen Vorschub zu leisten.

Neonazis in der Nachbarschaft
Beispiele für die Versuche der Etablierung nationaler Zentren gibt es zur Genüge. So kaufte Günter Deckert, ehem. NPD-Bundesvorsitzender und Seniorenstudent an der Heidelberger Universität, einen Gasthof in Gränitz (Sachsen) mit dem Ziel, dort nationale Tagungen, Parteitage und Konzerte etc. durchzuführen. Erklärtes Ziel war dabei auch, u.a. durch Einbeziehung der einheimischen Bevölkerung Akzeptanz für faschistische Ideologien zu erlangen.
Auch im rheinland-pfälzischen Elmstein startete vor zwei Jahren der Neonazi Sascha Wagner den Versuch, ein Gelände mit 16.000 qm zu erwerben und zu einem „Nationalen Schulungs- und Veranstaltungszentrum“ auszubauen. Auf dem Gelände fanden diverse Konzerte mit ultrarechten Bands, wie z.B. „Brigade M“ und „Brutal Attack“, statt, die auf der Geburtstagsparty des bekannten Neonazis Christian Hehl die ca. 500 Gäste unterhielten.

Karlsruhe – Segeln im Windschatten linker Häuserkämpfe
Auch im Windschatten des Kampfes um den Erhalt des linken selbstverwalteten Zentrums Ex-Steffi in Karlsruhe versuchen Neonazis, aus den Auseinandersetzungen Profit zu schlagen. So hatten die für den 13. November und den 31. Dezember 2003 geplanten, aber verbotenen Demonstrationen das Ziel, ein „Nationales Zentrum“ zu fordern – getreu dem Motto: Wenn die Linken eins haben dürfen, wollen wir auch eins. Dass sie damit der Stadtverwaltung eine Steilvorlage bieten, die Räumung der Ex-Steffi und die Verweigerung eines Ersatzobjektes im beliebten „Totalitarismus“-Stil zu rechtfertigen, kann ihnen nur recht sein.

Links ungleich rechts!
Die kindisch anmutende Forderung „Was die Linken haben, wollen wir auch“ bietet für die Neonazis viele Vorteile. Können sie doch auf diese Weise entweder recht einfach in den Besitz eigener Zentren und Projekte gelangen, oder, falls dies nicht möglich sein sollte, linke Projekte diskreditieren, indem sie eine Argumentationsstrategie nach dem Motto: „Links = Rechts“ nahe legen.
Doch diese Totalitarismusargumentation geht ins Leere; sind doch die grundsätzlichen Überlegungen, was linke Zentren darstellen und vermitteln sollen, von denen rechter Projekte grundsätzlich verschieden. Allein die Frage danach, wer solche Zentren nutzen darf, macht die Kluft zwischen den unterschiedlichen Konzepten deutlich.
Sind „Nationale Zentren“, wie der Name schon sagt, Menschen vermeintlich „deutschen Blutes“ vorbehalten, versuchen linke Zentren gerade gegen bestehende Rassismen Stellung zu beziehen. Zum einen haben rassistische Zugangsbeschränkungen und Stereotypen, wie sie sich bspw. bei rechten TürsteherInnen der meisten Diskotheken etc. finden lassen, in linken Zentren keinen Platz und werden aktiv bekämpft. Zum anderen soll durch möglichst niedrige Eintritts- und Getränkepreise gerade Menschen, die über weniger Geld verfügen, die Möglichkeit eröffnet werden, an kulturellen Veranstaltungen u.Ä. teilzunehmen.
Schließlich sind es nicht staatliche Programme gegen Rechts - die von Jahr zu Jahr zusammengestrichen werden -, die den Neonazis Einhalt gebieten, sondern eine starke antifaschistische Gegenkultur. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der gesamtgesellschaftliche Diskurs den Neonazis nur allzu oft suggeriert, sie seien nur ausführendes Organ des Volkswillens. Gerade in linken, selbstverwalteten Zentren organisiert sich der Widerstand gegen rechtsextreme Umtriebe und gegen die Etablierung einer rechten Jugendsubkultur.
Außerdem wird durch die antifaschistische, antirassistische, antinationalistische und antisexistische Ausrichtung linker, selbstverwalteter Jugendzentren ein Zusammenleben in gegenseitiger Anerkennung vermittelt und auch praktisch erlebbar gemacht. Und das nicht in von Sozialarbeitern verordneten Spielchen oder Lektüren, sondern durch die praktische Erfahrung, welche die Beteiligten durch selbstverantwortliches und selbstständiges Organisieren und Bewerkstelligen machen.
Daraus ergibt sich: Wer gegen Nazis ist, muss konsequenterweise auch für selbstverwaltete linke Projekte sein!

Nationale Zentren bekämpfen!
Für eine starke antifaschistische Linke!
Für linke, selbstverwaltete Zentren in Heidelberg und überall!

AIHD, Januar 2004