Faschistische Traditionslinien kappen!
Keine Ehrung für Faschisten und Antisemiten!

Nicht nur mit dem alljährlichen „Heldengedenken“ auf dem von den Nazis eingeweihten „Ehrenfriedhof“ am so genannten Volkstrauertag stellt sich die Stadt Heidelberg in eine unreflektierte Tradition mit dem „Dritten Reich“. Noch immer werden in Heidelberg Wegbereiter und Täter der nationalsozialistischen Barbarei geehrt, solange sich kein Widerstand dagegen regt.

Wir fordern von der Stadt Heidelberg die Umbenennung der Treitschkestraße in Max-Oppenheimer-Straße.
Mit Heinrich von Treitschke ehrt Heidelberg immer noch einen Mann, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den Antisemitismus bis hinein in das liberale Bürgertum hoffähig zu machen und der damit zu einem der wichtigsten Stichwortgeber der Nationalsozialisten wurde.
Heinrich Gotthard von Treitschke (1834-1896), Mitglied der Burschenschaft Frankonia Bonn, wird mit der nach ihm benannten Straße für seine Lehr- und Forschungstätigkeit in Heidelberg 1867-1874 geehrt. Die Universität Heidelberg vermerkt noch heute stolz auf ihrer Homepage: „Treitschke schrieb hier in den entscheidenden Jahren der Reichsgründung seine „Deutsche Geschichte““ – eine Umdeutung der Geschichtsschreibung im Sinne des Bismarck’schen Reichsgedankens. Wirklich bekannt wurde er allerdings weder durch diese Tätigkeit, noch durch seinen wütenden, von Verschwörungstheorien geprägten Antikommunismus („Der Sozialismus und seine Gönner“, 1879), sondern durch seine Rolle im so genannten „Berliner Antisemitismus-Streit“ im Jahre 1879. In seinem viel beachteten Aufsatz „Unsere Aussichten“ prägte er den Satz: „Die Juden sind unser Unglück“ – ein Satz, der seit 1927 auf jeder Titelseite des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“ prangte.
Mit diesem Aufsatz und der darauf folgenden Kontroverse gelang es Treitschke, einen nicht mehr christlich-religiös, sondern kulturell und „rassisch“ begründeten Antisemitismus bis hinein ins Bildungsbürgertum dauerhaft hoffähig zu machen.

Im vergangenen Jahr hat der Gemeinderat der Stadt Heidelberg mit den Stimmen der CDU, der Freien Wähler, der Heidelberger und der FDP ausdrücklich beschlossen, an der Ehrung dieses notorischen Judenhassers festzuhalten und einen Antrag auf Umbenennung der Treitschkestraße abgeschmettert.
Wer in einer Zeit, in der der Antisemitismus eine seit der militärischen Niederschlagung des Nationalsozialismus nicht mehr gekannte Blütezeit erlebt und in der etablierte PolitikerInnen wieder mit antisemitischen Klischees auf WählerInnenfang gehen, an der Ehrung dieses menschenverachtenden Hetzers festhält, der wird zum Förderer neuer antisemitischer Barbarei.
Wir sind nicht länger bereit, diesen Straßennamen in unserer Stadt hinzunehmen.

Damit eine Straßenumbenennung nicht zum bloßen Lippenbekenntnis und zur wohlfeilen Entsorgung einer unbequemen Vergangenheit verkommt, fordern wir die Benennung der genannten Straßen nach einem Menschen, der auch nach 1945 aufgrund seines politischen Engagements gegen den Faschismus und seine Wurzeln staatlicher Verfolgung ausgesetzt war.
Mit Max Oppenheimer, dessen Tod sich in diesem Sommer zum zehnten Male jährt,  wollen wir einem Menschen endlich eine angemessene Würdigung zuteil werden lassen, die er zu seinen Lebzeiten nie erfahren hat.
Max Oppenheimer wurde 1919 in Karlsruhe geboren und wuchs in Heidelberg auf. Er wurde schon als Schüler am KFG in Heidelberg aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt und 1938 in das KZ Dachau gebracht. Nach der Haft konnte er emigrieren und blieb auch im britischen Exil für den Widerstand gegen die nationalsozialistische Barbarei tätig. Nach dem Krieg zurückgekehrt machte sich Max Oppenheimer als engagierter Journalist, Redakteur und Buchautor einen Namen. Er gehörte nach 1947 gemeinsam mit Hermann Maas zu den Gründungsmitgliedern der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) in Heidelberg. 1956 musste er das erneute Verbot seiner Partei, der KPD, und erneute Verfolgung erleben. Sein wichtigstes Tätigkeitsfeld aber war die Geschichtsarbeit. Er gehörte zu den Initiatoren der Schulbuchkonferenz 1967 und der daraus folgenden Gründung des „Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des deutschen Widerstandes 1933-1945“.  1984 erwarb er an der Universität Bremen den Dr. phil.
Max Oppenheimer blieb bis zu seinem  Tod als überzeugter Antifaschist und Antikapitalist politisch aktiv.
Er starb am 15. August 1994.

Mit einer Umbenennung der nach Treitschke benannten Straße in Max-Oppenheimer-Straße würde zumindest ein Zeichen gesetzt für das Bewusstsein, dass sich die Stadt Heidelberg sowohl in der Pflege faschistischer Traditionen als auch in der Verfolgung von AntifaschistInnen schuldig gemacht hat und es – wie nicht zuletzt die jüngste Gemeinderatsentscheidung gegen die Umbenennung der Treitschkestraße zeigt – immer noch tut.