Weg mit den Berufsverboten!
Geheimdienste abschaffen!

Vor 32 Jahren, am 28. Januar 1972, wurde angesichts einer starken linken Bewegung der so genannte Radikalenerlass beschlossen, der den Berufsverboten bis heute zu Grunde liegt. Zur Abwehr angeblicher „Verfassungsfeinde“ sollten „Personen, die nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten“, aus dem Öffentlichen Dienst entlassen werden.
Etwa 3,5 Millionen BewerberInnen und AnwärterInnen wurden vom Verfassungsschutz durchleuchtet. Es kam zu 11.000 offiziellen Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 Ablehnungen von BewerberInnen und 265 Entlassungen. Mit dem zweifelhaften Kampfbegriff der „Verfassungsfeindlichkeit“ wurden insbesondere in der 1970er Jahren missliebige und systemkritische Organisationen und Personen an den Rand der Legalität gerückt, wurde die Ausübung von Grundrechten wie der Meinungs- und Organisationsfreiheit bedroht und bestraft. Tausende von Menschen wurden in schwerwiegende Existenzprobleme gestürzt. Eine soziale und politische Rehabilitierung der Betroffenen fand bisher nicht statt.
Der Radikalenerlass diente und dient damit der Einschüchterung von außerparlamentarischen Bewegungen und hat das Ziel, politisch aktive Menschen mundtot zu machen.

Von der Kontinuität der „Gesinnungsverbrechen“ ...
Die Praxis der Berufsverbote unterscheidet sich grundlegend von anderen staatlichen Repressionsmaßnahmen gegenüber linksradikalen AktivistInnen. Während bei anderen Formen politischer Verfolgung in der Bundesrepublik den Betroffenen ein konkreter Verstoß gegen Gesetze nachgewiesen werden muss, kommt bei den auf dem „Radikalenerlass“ basierenden Verfahren ausschließlich die Zugehörigkeit zu einer politisch unliebsamen Gruppe zum Tragen.
Damit werden die politische Meinung und das daraus resultierende persönliche Engagement an sich kriminalisiert, was die inoffizielle (Wieder-)Einführung des „Gesinnungsverbrechens“, wie es aus dem Nationalsozialismus bekannt ist, bedeutet. Eine weitere Besonderheit der Berufsverbote ist ihr vollständiges Losgelöstsein von den staatlichen Strafverfolgungsbehörden, da an Stelle eines Gerichtes das Oberschulamt das Urteil fällt. Grundlegende Informationen zu den einzelnen Fällen kommen vom Innenministerium und dem zuarbeitenden Landesamt für Verfassungsschutz (VS), das dadurch den Status einer Ermittlungsbehörde erhält.

... zur Kriminalisierung der radikalen Linken
In erster Linie geht es dem Verfassungsschutz darum, frühzeitig zu erkennen, wo sich in er Gesellschaft Protest oder Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse entwickelt, um so die vorherrschende Politik zu stabilisieren. Der VS gewinnt seine Informationen zumeist mit nachrichtendienstlichen Mitteln wie dem Mithören des Telefonverkehrs, dem geheimen Lesen des Postverkehrs oder dem Anwerben sowie Einschleusen von Spitzeln. Die gewonnenen Informationen werden ausgewertet und an die politischen Führungsorgane weitergeleitet. Die VS-Aktivitäten dienen dazu, politische Zusammenhänge auszuforschen, Psycho- und Soziogramme der politisch aktiven Menschen zu erstellen, Misstrauen untereinander zu säen und einzelne politisch zu isolieren. Ob es sich um Prozesse gegen „kriminelle Vereinigungen“, um Verfahren wegen „Verunglimpfung des Staates“, „Landfriedensbruch“ oder Berufsverbote handelt, Widerstand wird kriminalisiert und soll damit entpolitisiert werden. An keiner Stelle dieses Verfahrens werden demokratische Regeln befolgt; somit ist es nur konsequent, wenn eine öffentliche Auseinandersetzung mit der staatlichen Repression unterdrückt wird.

Berufsverbot reloaded
Seit dem Jahreswechsel 2003/2004 betrieben das Kultusministerium und das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg die Wiederbelebung der bundesdeutschen Berufsverbotspraxis.
Dem Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy wird aus politischen Gründen die für 1. Februar 2004 vorgesehene Übernahme in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg verweigert. Das faktische Berufsverbot und die dadurch bedingte Arbeitslosigkeit dauerten bereits mehrere Monate an, bis am 26. August 2004 das Berufsverbot vom Kultusministerium offiziell verhängt wurde. Seit 1989 engagiert sich Michael Csaskóczy unter anderem in der Antikriegsbewegung, der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD), im Autonomen Zentrum Heidelberg (AZ) und der Roten Hilf. Über mehr als zwölf Jahre hinweg wurde er vom Verfassungsschutz überwacht. Die vorgebrachten „Erkenntnisse“ beziehen sich auf die Anmeldung mehrerer Demonstrationen gegen Neonazis und deutsche Kriegseinsätze sowie auf Interviews, die Micha als Sprecher der AZ Heidelberg gegeben hat. Letztlich war für das Berufsverbot seine Mitgliedschaft in der AIHD ausschlaggebend, von der er sich pauschal nicht distanzieren wollte.
Diese staatliche Repression richtet sich nicht nur gegen eine Person, sondern insbesondere gegen die politische Arbeit der AIHD, die es in den letzten fünf Jahren erfolgreich geschafft hat, radikale linke Politik in die Öffentlichkeit zu tragen.

Solidarität ist eine Waffe!
Es ist offensichtlich, dass erneut versucht wird, Einzelne zu isolieren und die antifaschistische Bewegung zu kriminalisieren. Beispiele der letzten Jahre sind die Verfahren nach § 129a gegen die Göttinger (1991), Passauer (1997) und Magdeburger (2002) AntifaschistInnen.
Die AIHD wendet sich entschieden gegen diese nach vielen Jahren wieder belebte Repressionsmaßnahme, die als Angriff auf die gesamte radikale Linke zu werten ist. Es soll ein Klima der Angst erzeugt werden, in dem politisch interessierte Menschen durch den drohenden Entzug ihrer Existenzgrundlage von jeglicher emanzipatorischer Aktivität abgeschreckt werden. Wir werden unsere politische Arbeit weiter öffentlich und für alle Interessierten zugänglich fortführen.
Wir protestieren gegen die staatliche Bespitzelung und Einschüchterung, die sich potenziell gegen alle emanzipatorischen und politisch unbequemen Bestrebungen richtet!
Wir fordern die freie Berufswahl für Micha und die Abschaffung der gesetzlichen Grundlagen der Berufsverbote.

Der staatlichen Repression entschlossen entgegentreten!
 

AIHD, September 2004