Redebeitrag der Roten Hilfe
auf der Demonstration gegen das Berufsverbot am 23.10.2004

Ich begrüße Euch im Namen des Rote Hilfe Bundesvorstands recht herzlich zur heutigen Demonstration.
Wir sind heute hier, weil wir gemeinsam gegen eine lange als überwunden geglaubte staatliche Repressionsmaßnahme auf die Straße gehen wollen.
Am 26.08.2004 hat das Kultusministerium Baden-Württemberg offiziell seinen Beschluss verkündet, den Realschullehrer Michael Csaszkóczy aus politischen Gründen nicht zum Schuldienst zuzulassen. Damit stand endgültig fest, was uns bereits seit Ende 2003 klar war, als ihn das erste Besorgnis erregende Oberschulamtsschreiben erreichte: Hier haben wir es erstmals seit langem wieder mit einem klassischen Berufsverbot zu tun, mit einer Form politischer Einschüchterung also, die es auf europäischer Ebene so nur in Deutschland gegeben hat und noch gibt.
Dabei handelt es sich um eine Art von Repression, die in den 1970er und 80er Jahren massenhaft gegen linke AktivistInnen zum Einsatz kam. Damals überprüfte der Verfassungsschutz auf der Grundlage des „Radikalenerlasses“ systematisch Hunderttausende StelleninhaberInnen und BewerberInnen für den Öffentlichen Dienst. Daraus resultierten etwa zehntausend Berufsverbotsverfahren und über tausend tatsächlich verhängte Berufsverbote.
Diese seit vielen Jahren nicht mehr angewandte Praxis unterscheidet sich in zentralen Punkten von anderen staatlichen Repressionsmaßnahmen gegenüber SystemkritikerInnen. Zum einen gilt hier der juristische Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht, nach dem dem Betroffenen erst ein konkreter Gesetzesverstoß nachgewiesen werden muss. Ausschlaggebend für die Nichteinstellung Michas ist nämlich einzig und allein seine Mitgliedschaft in einer autonom-antifaschistischen Gruppierung, nicht aber ein wie auch immer geartetes „persönliches Fehlverhalten“ in Bezug auf seine Umwelt oder gar seine Rolle als Lehrer verschiedener Realschulklassen. Hier reicht es vollkommen aus, sich im Kampf gegen Neofaschismus, Antisemitismus, Rassismus, Krieg und andere Formen von Ausbeutung und Unterdrückung in einer außerparlamentarischen Initiative zu engagieren. Potenziell könnte es ja möglich sein, irgendwann die Position als Lehrer für linksextremistische Agitation zu missbrauchen und die Schülerinnen und Schüler zu indoktrinieren.
Indem ausschließlich die Mitgliedschaft in einer unliebsamen Gruppe der Entscheidung des Kultusministeriums zu Grunde liegt, werden politische Meinung und Engagement an sich bestraft und das „Gesinnungsverbrechen“ durch die Hintertür einer vom Justizapparat losgelösten Institution wieder eingeführt.
Damit ist auch schon der zweite wichtige Unterschied zu anderen Ausprägungen politischer Verfolgung angesprochen: an Stelle eines Gerichts verhängt das Oberschulamt das Urteil, die Strafverfolgungsbehörden spielen keine Rolle. Die Informationen, an Hand derer entschieden wird, stammen vom Landesamt für Verfassungsschutz, dem innerstaatlichen Geheimdienst, dem auf diese Weise Ermittlungsbefugnisse zugesprochen werden.
Auf diesen zweifelhaften Quellen beruht auch im aktuellen Fall das Verfahren gegen Micha. Vorgeworfen wird ihm seine politische Aktivität, die er insbesondere in der Antifa- und Antikriegsbewegung sowie für selbstverwaltete linke Zentren entfaltete. Dabei trat und tritt er auch in der Öffentlichkeit in Erscheinung und geriet deshalb schon vor über 13 Jahren ins Fadenkreuz des Verfassungsschutzes.
Nachdem diesem legalen Engagement auf juristischem Wege nicht beizukommen ist, wird hier auf eine bereits totgeglaubte Form staatlicher Repression zurückgegriffen, die sich ausschließlich gegen die politische Meinung richtet. Durch das an Micha statuierte Exempel sollen andere linke AktivistInnen vor die alternativlose Wahl zwischen politischem Engagement und angestrebter Berufsausübung gestellt werden. Die Reanimation dieser Maulkorbpraxis muss im Rahmen der allgemeinen Verschärfung staatlicher Repression gesehen werden, die insbesondere in den „Anti-Terror-Gesetzen“ seit dem 11. September 2001 zum Ausdruck kommt.

Wir werden nicht zulassen, dass Menschen, die für emanzipatorische Ziele kämpfen, durch den drohenden Entzug ihrer Existenzgrundlage an der Umsetzung ihrer Ideen gehindert werden.
Wir unterstützen nach unseren Möglichkeiten alles, was dieses aus politischen Gründen verhängte Berufsverbot gegen einen langjährigen Genossen wieder rückgängig machen könnte.
Gleichzeitig muss gegen diesen Fall exemplarisch Widerstand geleistet werden, um das Wiederaufleben dieser staatlichen Repressionsform aus den 1970er Jahren zu verhindern. Und deshalb sind wir heute hier.

Gegen die Wiedereinführung der Berufsverbotspraxis!
Alle Formen staatlicher Repression bekämpfen!

ROTE HILFE e. V. Bundesvorstand