Redebeitrag der AIHD auf der Antifa-Demonstration
in Mannheim am 7. April 2006

Am morgigen Tag wollte das neofaschistische „Aktionsbüro Rhein-Neckar“ unter dem Motto „Schafft Meinungsfreiheit - Freiheit für Zündel, Rudolf, Verbeke und Irving!“ eine Demonstration in Mannheim durchführen. Das wurde ihm nun in letzter Instanz untersagt, wobei die Richter auf die Tatsache hinwiesen, dass es sich hierbei um eine Glorifizierung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems handele. Angemeldet hatte die Versammlung der Hamburger Neonazi und Daueranmelder Christian Worch. Die Nazis rechneten mit über 1000 TeilnehmerInnen aus der gesamten Bundesrepublik. Wohin sie nun morgen ausweichen und mit wie vielen KameradInnen sie nach der Verbotsverfügung noch rechnen können, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen.
Zum Anlass für den geplanten Aufmarsch nehmen die Nazis das Verfahren am Mannheimer Landgericht gegen den international führenden Revisionisten Ernst Zündel. Der bekannte Holocaust-Leugner wurde im März vergangenen Jahres von Kanada an die BRD ausgeliefert.
Gegenwärtig sitzen auch andere bekannte Holocaust-Leugner wie David Irving, Germar Rudolf oder Siegfried Verbeke in Haft. Irving wurde gerade in
Österreich wegen Leugnens von Naziverbrechen zu drei Jahren Haft verurteilt; Rudolf und Verbeke warten in deutschen Knästen zurzeit auf ihre Prozesse wegen Volksverhetzung und Leugnung des Holocaust.
Mit der Heroisierung dieser Geschichtsverdreher haben die regionalen Nazistrukturen ein beliebtes Thema aufgegriffen, da große Mobilisierungserfolge in den letzten Jahren hauptsächlich mit geschichtspolitischen Inhalten verzeichnet werden konnten. Die Demonstration in Mannheim sollte für die extreme Rechte in diesem Jahr eine ähnliche Bedeutung einnehmen wie die Aufmärsche gegen die Wehrmachtsausstellung oder die Demonstrationen in Dresden, bei denen deutsche TäterInnen zu Opfern der alliierten Bombenangriffe erklärt werden.
Die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden wird von den Nazis nicht etwa deshalb bestritten, weil sie Scham oder Reue empfinden. Im Gegenteil, wer sich in den einschlägigen Kreisen umsieht, wird schnell herausfinden, dass dieselben Nazis, die den Holocaust gerade noch geleugnet haben, im nächsten Moment mit kaum verhohlener Häme stolz auf ihre „organisatorische Meisterleistung“ sind und betonen, die Juden hätten selbst verschuldet, was ihnen widerfahren ist.
Darin ähneln die deutschen Neonazis zum Verwechseln dem iranischen Präsidenten Ahmadinedjad, der in der Lage ist, sowohl die Shoah zu leugnen
als auch die Verlegung Israels nach Deutschland als „Ausgleich“ für den Holocaust zu fordern. Solche logischen Kapriolen empfinden die GeschichtsrevisionistInnen nicht als Widerspruch: Sie glauben - je nach Gelegenheit - was sie glauben wollen.
Die Motive der Holocaust-Leugner sind so durchsichtig wie banal:
Die von den Nationalsozialisten betriebene industrielle Vernichtung von Millionen von Menschen hat das Projekt der völkischen Rechten gründlich
diskreditiert. Der ehemalige Neonazi-Führer Ewald Althans bekannte offen: „Auschwitz muss fallen, dann erst können die Leute akzeptieren, was wir
wollen“. Mit diesen Ideen treffen sie nicht nur bei Neofaschisten auf offene Ohren, sondern bei einem nicht unerheblichen Teil der deutschen Bevölkerung, der die deutsche Schuld an der Massenvernichtung als Last empfindet. Immer breitere Kreise nehmen Auschwitz als unzumutbare Hypothek für eine wiedererstarkte deutsche Großmacht wahr, die der neuen Rolle der BRD hinderlich ist - politisch, kulturell, diplomatisch und militärisch.
In ihrer Gemüts- und Gesinnungslage ähneln die offenen HolocaustleugnerInnen den unzähligen Hohmanns und Walsers in diesem Land, welche die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit als nicht mehr länger hinnehmbare Zumutung für die deutsche „Seele“ empfinden und denen die deutsche Regierung gemeinsam mit der Industrie bestätigend in den nationalen Schädel trichtert: „Du bist Deutschland!“.
Für alle, denen an menschlicher Emanzipation gelegen ist, muss als oberster kategorischer Imperativ gelten, alles zu tun, dass Auschwitz nicht noch einmal sei. Deutschland denken bedeutet für uns immer noch Auschwitz denken. Befreiung, sozialer Fortschritt und Emanzipation sind nur gegen das Konzept der „deutschen Nation“ möglich.

Nicht verleugnen! Nicht verdrängen! Nicht vergessen!
Geschichtsrevisionismus angreifen!
 

Antifaschistische Initiative Heidelberg, 7. April 2006