Nicht verleugnen! Nicht verdrängen! Nicht vergessen!
Geschichtsrevisionismus angreifen!

Für Samstag, den 8. April 2006 plant das neofaschistische "Aktionsbüro Rhein-Neckar" eine Demonstration in Mannheim unter dem Motto „Schafft Meinungsfreiheit - Freiheit für Zündel, Rudolf, Verbeke und Irving!“. Angemeldet wurde die Versammlung vom Hamburger Neonazi und Daueranmelder Christian Worch. Die Nazis rechnen dabei mit über 1000 TeilnehmerInnen aus der gesamten Bundesrepublik.
Zum Anlass für die Demonstration nehmen die Nazis das Verfahren am Mannheimer Landgericht gegen den international führenden Revisionisten und Holocaust-Leugner Ernst Zündel, der im März vergangenen Jahres von Kanada an die BRD ausgeliefert wurde.
Gegenwärtig sitzen auch andere bekannte Holocaust-Leugner wie Germar Rudolf oder David Irving in Haft. Irving wurde gerade in Österreich wegen Leugnens von Naziverbrechen zu drei Jahren Haft verurteilt. Germar Rudolf sowie der belgische Revisionist Siegfried Verbeke warten in deutschen Knästen gegenwärtig auf ihre Prozesse wegen „Volksverhetzung“ und Leugnung des Holocaust.
Diese lange überfällige Aburteilung von Geschichtsverdrehern haben die regionalen Nazistrukturen im Rhein-Neckar-Raum nun zum Anlass genommen, zu einer bundesweiten Demonstration nach Mannheim zu mobilisieren. Unter den angekündigten Rednern des Aufmarschs befinden sich bundesweit bekannte Nazis wie Jürgen Rieger sowie Thomas „Steiner“ Wulff, Thorsten Heise und Ralf Tegethoff (alle drei NPD). Die Nazi-Szene hatte ihre großen Mobilisierungserfolge in den letzten Jahren hauptsächlich mit geschichtspolitischen Themen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Demonstration in Mannheim für die extreme Rechte in diesem Jahr eine ähnliche Bedeutung hat wie die Aufmärsche gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht“ oder die Demonstrationen in Dresden anlässlich des Jahrestages der Bombardierung durch die Alliierten.

Die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden wird von den Nazis nicht etwa deshalb bestritten, weil sie Scham oder Reue empfinden. Im Gegenteil, wer sich in den einschlägigen Kreisen umsieht, wird schnell herausfinden, dass dieselben Nazis, die den Holocaust gerade noch geleugnet haben, im nächsten Moment mit kaum verhohlener Häme stolz auf ihre „organisatorische Meisterleistung“ sind und betonen, die Juden hätten selbst verschuldet, was ihnen wiederfahren ist.
Darin ähneln die deutschen Neonazis zum Verwechseln dem iranische Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der im selben Atemzug in der Lage ist, die Shoah zu leugnen und als „Ausgleich“ für den Holocaust die Verlegung Israels nach Deutschland und Österreich zu fordern. Solche logischen Kapriolen empfinden die GeschichtsverdreherInnen nicht als Widerspruch: Sie glauben - je nach Gelegenheit - was sie glauben wollen.
Die Motive der Holocaust-Leugner sind so durchsichtig wie banal:
Die von den Nationalsozialisten betriebene industrielle Vernichtung von Millionen von Menschen hat das Projekt der völkischen Rechten gründlich diskreditiert. Der ehemalige Neonazi-Führer Ewald Althans bekannte offen: „Auschwitz muss fallen, dann erst können die Leute akzeptieren, was wir wollen“. Sie treffen dabei auf fruchtbaren Boden nicht nur bei offenen Neofaschisten, sondern bei einem nicht unerheblichen Teil der deutschen Bevölkerung, der die deutsche Schuld an der Massenvernichtung als Last empfindet und der Auschwitz als unzumutbare Hypothek für eine wiedererstarkte deutsche Großmacht wahrnimmt, die der neuen Rolle Deutschlands hinderlich ist - politisch, kulturell, diplomatisch und militärisch.
In ihrer Gemüts- und Gesinnungslage ähneln die Holocaustleugner den unzähligen Hohmanns und Walsers in diesem Land, welche die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit als nicht mehr länger hinnehmbare Zumutung für die deutsche „Seele“ empfinden und denen die deutsche Regierung gemeinsam mit der Industrie bestätigend in den nationalen Schädel trichtert: „Du bist Deutschland!“.
Für alle, denen an menschlicher Emanzipation gelegen ist, muss als vorderster kategorischer Imperativ gelten, alles zu tun, dass Auschwitz nicht noch einmal sei.
Deutschland denken bedeutet für uns immer noch Auschwitz denken. Befreiung, sozialer Fortschritt und Emanzipation sind nur gegen das Konzept der „deutschen Nation“ möglich.
 

AIHD und Lynx 9 - 49, im März 2006
 

Exkurs:
"Aktionsbüro Rhein-Neckar"
Beim „Aktionsbüro Rhein-Neckar“ handelt es sich um eine regionale Vernetzungsstruktur rechtsextremer „freier Kameradschaften“ aus der Rhein-Neckar Region (Rheinland-Pfalz, Südhessen, Nordbaden). Das Aktionsbüro (AB) gründete sich am 16. August 2003 nach dem Vorbild zahlreicher Aktionsbüros, die von Mitte bis Ende der 1990er Jahre eingerichtet wurden. Gegenwärtig sind die fünf Neonazi-Kameradschaften Bergstraße, Kurpfalz, Vorderpfalz, Hockenheim/Schwetzingen und Worms im AB organisiert, wobei es zahlreiche gute Kontakte zu anderen Nazi-Gruppierungen wie z.B. dem „Nibelungensturm Odenwald“ oder den „Freien Nationalisten Karlsruhe“ gibt.
Zudem kandidieren die Neonazis Christian Hehl, René Teufer und Mario Matthes - alle drei führende Personen des AB Rhein-Neckar - auf der Liste der NPD bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März 2006.
In den vergangenen Jahren nahmen AktivistInnen des AB an fast allen relevanten Nazi-Aufmärschen im gesamten Bundesgebiet teil.
Nachdem das AB bereits am 2. März 2005, dem Tag von Zündels Inhaftierung, in Mannheim mit ca. 40 Neonazis eine „Spontandemo“ durchgeführt hatte, stellt es jetzt für den Aufmarsch am 8. April die zentrale Mobilisierungs- und Organisationsstruktur dar.