Antifaschismus strafbar?
Dass antifaschistische Politik in der Bundesrepublik Deutschland der Repression seitens staatlicher Stellen ausgesetzt ist stellt keine Neuigkeit dar, erfährt aber derzeit mit dem sog. "NixGut-Urteil" eine breite mediale Aufmerksamkeit. Dabei fällt auf, dass der Paragraf 86a des Strafgesetzbuches, der die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt und somit z.B. das öffentliche Tragen des Hakenkreuzes verbietet, bewusst von der Staatsanwaltschaft benutzt wird, AntifaschistInnen, die ein durchgestrichenes Hakenkreuz tragen oder vertreiben strafrechtlich zu verfolgen.

Das "NixGut-Urteil"
Im September diesen Jahres verurteilte das Stuttgarter Landgericht den Betreiber des Punk-Mailorders "NixGut" zu einer Geldstrafe in Höhe 3600 Euro. Gegenstand des Prozesses war der Vertrieb von Artikeln wie Buttons oder Fahnen mit durchgestrichenen oder zerschlagenen Hakenkreuzen, die trotz der eindeutigen Positionierung gegen Nazis von den Richtern als verfassungswidrig nach Paragraf 86 (Verbot der Verbreitung von "Propagandamitteln" neonazistischer Organisationen) betrachtet wurden. Die Rote Hilfe sieht zurecht in der Beschlagnahmung von T-Shirts, Buttons und Aufnähern mit Antifa-Symbolen und dem Verbot des weiteren Verkaufs den gezielten Versuch den auf Punk-Artikel spezialisierten Vertrieb seiner Existenzgrundlage zu berauben und darüber hinaus alle antifaschistisch eingestellte Personen einzuschüchtern: "Indem das Gericht hier ein Exempel statuiert, sollen Gleichgesinnte von aktivem Engagement gegen Nazis abgeschreckt werden"(www.rote-hilfe.de).

Verfolgung von AntifaschistInnen durch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft verfolgte dabei auch engagierte Beteiligte der so genannten "Antifaschistischen Kehrwochen". Die Kampagne, die über Neonazistrukturen, rechte Gewalt und Rassismus im als rechte Hochburg geltenden Rems-Murr-Kreis informierte, schlug Anfang des Jahres ihre Infotische in den Städten Backnang und Schorndorf auf. Dabei wurden zahlreiche junge Leute von Greiftrupps der Polizei verfolgt, gestellt, verhaftet und in Handschellen abgeführt, allein weil sie Abzeichen mit Anti-Nazi-Symbolen trugen oder entsprechende Flugblätter verteilten.
Dabei verfolgt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ihren repressiven Kurs gegenüber den TrägerInnen oder VertreiberInnen der Antinazisymbole trotz besseren Wissens: "Wir bestrafen die Falschen; das ist uns klar", kommentiert sie die Anwendung des Paragrafen 86, der ja eigentlich die Verwendung von Zeichen neonazistischer Organisationen verfolgt, zur Verfolgung von NazigegnerInnen. Die Grundlage für die Repression von Zivilcourage durch Tragen von Antinazisymbolen bildet dabei die Behauptung "ein Hakenkreuz im Verbotszeichen [sei] nicht eindeutig", wodurch sich die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nicht nur lächerlich macht, sondern den Missbrauch der gesetzlichen Grundlage geradezu öffentlich eingesteht.

Antifaschismus lässt sich nicht unterdrücken
Die Widersprüchlichkeit der staatsanwaltschaftlichen Argumentation legt die Vermutung nahe, dass es den staatlichen Behörden darum geht, den Schlussstrich unter die deutsche Geschichte auch jenen aufzuzwingen, die sich bewusst gegen Neonazis - ob in Parlamenten oder auf der Straße - positionieren. So lässt sich das Verbot des Tragens von Antinazisymbolen als Teil des Versuchs der Verbannung der nationalsozialistischen Geschichte Deutschlands aus dem öffentlichen Leben und dem Bewusstsein der Einzelnen deuten. Wurde seit jeher versucht die Barbarei des NS totzuschweigen, kleinzureden oder sie umzudefinieren, so soll wohl auch der Antifaschismus als störende Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen von Gestern und die neonazistischen Taten von Heute im "Neuen Deutschland" unterdrückt werden.
"Während Faschisten wieder in Parlamente einziehen, werden Antifaschisten, die sich dagegen wehren, kriminalisiert", gibt Jürgen Kamm, der verurteilte Betreiber des NixGut-Versandes, in einem Interview zu verstehen. Und "Ihnen wird die Möglichkeit genommen, sich eindeutig und international verständlich gegen den braunen Dreck zu bekennen."(Jürgen Kamm, Geschäftsführer von Nix Gut, www.jungewelt.de/2006/10-10/025.php). Doch wir lassen uns den Antifaschismus nicht verbieten, ob in Wort, Bild oder Tat!

Antifaschismus ist eine Notwendigkeit, kein Verbrechen!
Gegen die Kriminalisierung von AntifaschistInnen!

AIHD, Oktober 2006