Redebeitrag der AG Soziale Kämpfe Karlsruhe
Gegen die G8 – so oder so!

Die G8 kommen nach Deutschland – und allein diese Tatsache versetzt uns in helle Aufregung. Mit mal größerem, mal kleineren Schwung wird in regionalen Bündnissen, auf bundesweiten Camps und bei internationalen Aktionskonferenzen informiert und gestritten, wie auf der einen Seite das Treffen der G8 verhindert werden kann und welche Chancen sich auf der anderen Seite für die Linke aus der Mobilisierung ergeben könnten.

Fleißig wird analysiert, wer oder was die G8 sind bzw. wer oder was sie nicht sind:
Als G8 bezeichnen sich zunächst einmal die Regierungen der 8 noch einflussreichsten und ökonomisch mächtigsten Staaten der Welt. Ihre Treffen hießen früher Weltwirtschaftsgipfel und sind seit jeher informeller Natur.
Ab den 1980er Jahren allerdings entfalteten die Verabredungen der Weltwirtschaftsgipfel größte Wirkungsmächtigkeit. Denn die G8 trieben damals einen weltweiten Politikwechsel voran: Die neue Weltwirtschaftsordnung sollte seit diesen Jahren auf liberalisierten Märkten, zunehmender Macht transnationaler Unternehmen sowie den politischen Säulen von Internationalem Währungsfonds, Weltbank und der Welthandelsorganisation basieren. Sie agierten als die selbsternannten Herrscher der Welt, planten Kriege und knebelten die sog. Dritte Welt. Ihre Politik bedeuteten die nächsten Umweltkatastrophen und  eine zunehmende soziale Verelendung von Millionen von Menschen weltweit.
Bis in die 1990er Jahre hinein hat die Linke gebraucht, diese neoliberale Wendung der Welt nicht nur zu erkennen, sondern Antworten zu finden, wo Jahre lang keine Fragen mehr gestellt wurden.
Doch endlich und spätestens 1994 – mit dem Beginn der Revolte der Zapatistinnen und Zapatisten in Chiapas – fiel der Startschuss für eine neue Bewegung gegen diese weltweite neoliberale Offensive. Diese Bewegung kennzeichnet sich seither durch ihren Internationalismus, ihren Pluralismus, aber auch durch gewisse Brüche zu traditionellen kommunistischen Positionen: Hinweggefegt wurde die traditionell marxistisch-leninistische Vorstellung einer stufenförmig aufsteigenden Entwicklung der Geschichte, hinweggefegt wurde die Vorstellung eines einheitlichen revolutionären Subjektes samt seiner Verkörperung in einer, in der Partei. Hinweggefegt wurde auch die Vorstellung, die Revolution sei gebunden an die Eroberung der Staatsmacht.
Antworten – im Sinne von vorstellbaren Alternativen –  in Bezug auf die Überwindung des globalisierten Kapitalismus hatte und hat auch diese Bewegung nicht zu bieten. Sie will es auch gar nicht, sondern erhebt die notwendig pluralistische Orientierung der Bewegung zu ihrer Konstituierenden und brüstet sich damit, überhaupt das Denken an die Möglichkeit einer „anderen Welt“ wiedererobert zu haben. Immerhin - denn es sind vielerorts erfrischende Blüten, die diese Bewegung getrieben hat!

Außerdem hatte die neoliberale Offensive, die die G8 mit vorangetrieben haben, mit dieser Bewegung auch in den Zentren der Welt ihre Antwort gefunden! Seit den Protesten 1999 von Seattle haben sich weltweit immer wieder 100.000e unter dem Slogan „Eine andere Welt ist möglich!“ mobilisieren lassen und deutlich dazu beigetragen, dass die internationalen Institutionen der Globalisierung – IWF, WTO, G8 und Weltbank – einen erheblichen Bedeutungsverlust erlitten haben: Manche dieser Treffen mussten allein wegen des Widerstands abgebrochen werden und seit den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua finden sie ohnehin nur noch in den entlegendsten Winkeln des jeweils gastgebenden Landes statt.
Immer deutlicher wurde: Diesen – zumeist – Herren der Welt fehlt nicht nur jede Legitimität, die Weltgeschicke zu steuern, sondern immer weniger Menschen glauben, dass deren Projekte einen tatsächlichen Nutzen für die gesamte Menschheit darstellen könnten.
Auch diesmal dürfte es den G8 nicht gelingen, zumindest eine moralische Legitimierung zu erreichen. Zwar heißt es im Programm des G8-Gipfels: Die Entschuldung Afrikas vorantreiben, AIDS bekämpfen und die Klimakatastrophe verhindern! Nur die wenigsten allerdings glauben heute noch ernsthaft, dass die G8 eine Institution sein könnte, die einen brauchbaren Beitrag zur Entschuldung, zum Kampf gegen AIDS oder zum Klimaschutz leisten könnte. Und dies wiederum belegt die Wirkungsmächtigkeit der Bewegung!
Die G8 hatten ihre Chancen! Sie haben sie nicht genutzt. Und sie konnten sie auch zu keinem Zeitpunkt nutzen. Jetzt endlich können sich verpissen!

Unseren vielfach erfolgreichen Widerstand einmal beiseite gelassen, gibt es jedoch Hinweise, dass die Herren der Welt möglicherweise selbst  über neue Gremien und Strukturen nachdenken, um sich auch in Zukunft ihrer Herrschaft global zu versichern.  Denn erstens verhinderten die Rivalitäten der Wirtschaftsblöcke EU und USA in der jüngsten Vergangenheit immer wieder, dass die G8 (oder WTO, IWF und Weltbank) einheitliche Beschlüsse fassen konnten. Oftmals kamen sie bei ihren Zusammenkünften nicht über „Waffenstillstandsabkommen“ hinaus. Zweitens sind die G8 möglicherweise nicht mehr die „Größten8“, denn auch andere Länder wie China, Brasilien oder Indien – angetrieben von einer wachsenden Volkswirtschaft – schwingen sich auf, ihre eigenen Interessen weltweit vertreten zu wollen. Drittens haben auch die Entwicklungsländer begonnen, selbstbewusster zu agieren und nicht jede Vorgabe der abverlangten Strukturanpassungen bedingungslos zu akzeptieren. Besonders Lateinamerika, vormals noch Experimentierfeld für neoliberale Abenteuer, steht hierfür nicht mehr zur Verfügung. (Denn Marx – so las ich jüngst in der Zeitung – sei nicht, wie uns nach dem Zusammenbruch des Sowjetsozialismus glauben gemacht werden sollte, auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, sondern lediglich unterwegs nach Lateinamerika…)

Wenn also G8-Treffen möglicherweise ein Auslaufmodell sind, welche Bedeutung hat das für den Widerstand? Wäre es nicht notwendig, die eigene Position neu zu bestimmen?
Nein, so denken wir. Zumindest nicht grundsätzlich. Denn selbst wenn die vorige Einschätzung nahe legt, dass das „Regime des Neoliberalismus“ jüngster Prägung in der Krise steckt und  die G8-Treffen in der bisherigen Form ein Auslaufmodell sind, so besteht dennoch kein Anlass zur Freude und wir sollten auch keinen Gedanken daran verschwenden, im Widerstand nachzulassen! Denn, wenn die Herren der Welt sich selbst überdenken, dann wird es auch weiterhin um Formen der Herrschaftssicherung und nicht um die Überwindung globaler Herrschafts- und Machtverhältnisse gehen!
Auch in Heiligendamm soll ein Vorstoß unternommen werden, der über die beschlossenen Belanglosigkeiten der vergangenen Jahre weit hinausweisen könnte: Die Abschirmung des geistigen Eigentums.
Erfindungsreichtum und Kreativität sollen bereits in der Phase der Entstehung fest überführt werden in eine Bedingung des Kapitalismus: Ideen sollen privatisiert werden. Unschwer zu erkennen, welches Potential der Verfestigung bestehender Abhängigkeitsstrukturen sich darin verbirgt! Unschwer zu erkennen, welche Kontrollmechanismen im weltweiten Maßstab hieraus resultieren! Unschwer zu erkennen, dass damit ein neuer Pflock zur Verteidigung der Herrschaftsverhältnisse, zur Verteidigung des Kapitalismus in den Boden gerammt wird!

Deswegen bleiben wir dabei:
Stoppen wir zunächst gemeinsam die G8 und eröffnen uns damit selbst neue Perspektiven: Denn unser konsequentes „NEIN!“ zu den G8, das „NEIN!“ zu Kapitalismus und Imperialismus, das „NEIN!“ zu Krieg und Verfolgung, das „NEIN!“ zur Zerstörung der Umwelt eröffnet die Perspektive zu einem anderen „JA!“.

Machen wir weiter, bis der Kapitalismus Geschichte ist!

AG Soziale Käpfe Karlsruhe, im April 2007