Wir sind überall!
Für den Aufbau und die Verteidigung selbstverwalteter Freiräume

Am 11. und 12. April 2008 finden die internationalen dezentralen Aktionstage für selbstbestimmte linke Freiräume statt. An diesen beiden Tagen werden überall in Europa Demonstrationen, direkte Aktionen, Infostände und -veranstaltungen, Straßenfeste und Hausbesetzungen durchgeführt.
Die Aktionstage sollen dazu genutzt werden, um die europäische sowie die globale politische Bewegung für den Aufbau und den Erhalt autonomer Räume und besetzter Häuser ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken. Die Aktionstage sollen Verknüpfungen schaffen und Solidarität zwischen verschiedenen Freiräumen aufbauen.

In Heidelberg gibt es aus diesem Anlass am 11. April eine Demonstration unter dem Motto „Wir sind überall! Für den Aufbau und die Verteidigung selbstverwalteter Freiräume“.

Für uns - als Menschen mit antifaschistischem, antisexistischem und antikapitalistischem Anspruch - sind linke Freiräume wichtige Anlaufstellen, in denen gemeinsam link(sradikal)e Arbeit organisiert und politische Ansätze diskutiert und umgesetzt werden können. Gleichzeitig stellen selbstverwaltete Projekte immer auch einen starken Gegenpol zu regionalen Nazi-Strukturen dar.
Seit dem Abriss des Autonomen Zentrums (AZ) im Jahr 1999 fehlen uns in Heidelberg vergleichbare Räume, an denen emanzipatorische Politik und unabhängige Gegenkultur betrieben werden können. Gerade aus diesem Grund findet hier seither ein kontinuierlicher Kampf für neue selbstverwaltete Räume statt, der auch in dieser Demonstration seinen Ausdruck findet.

Da aber auch Nazis seit einigen Jahren mit auf den ersten Blick ähnlichen Forderungen nach eigenen „nationalen Zentren“ in die Öffentlichkeit treten, sehen wir es als unerlässlich an, sich auch mit deren Zielen auseinanderzusetzen, um so klar zu machen, dass zwischen linken selbstverwalteten Projekten und rechten „nationalen Zentren“ - in welcher Erscheinungsform auch immer - keine Gemeinsamkeiten bestehen.
Bei der Auseinandersetzung mit der Thematik rechter Zentren lassen sich vereinfacht drei verschiedene Strategien der Nazis erkennen, die wir im Folgenden kurz beleuchten wollen.

Käuflicher Erwerb „nationaler Zentren“
In den letzten Jahren mehrten sich die Versuche von Neonazis, eigene „nationale Zentren“ käuflich zu erwerben. Die Kosten für die Immobilien werden dabei aus Partei- bzw. Organisations- oder auch den Privatvermögen reicher Nazis aufgebracht. Die auf diesem Weg erlangten Gebäude können dann als nationale Schulungs- und Freizeitzentren genutzt werden. Angenehmer Nebeneffekt ist das „krisensichere“ Anlegen der Gelder, um sie so vor dem Zugriff bzw. dem Einfrieren im Rahmen von Organisations- und Parteiverboten zu schützen.

Kopieren linker Theorien und Praktiken
Eine weitere Möglichkeit für die rechte Szene, an eigene Räume zu kommen, ist das Übernehmen eigentlich linker Theorien und Praktiken. So wird schon seit geraumer Zeit in Nazikreisen mit dem von dem marxistischen Theoretiker Gramsci entworfenen Konzept der kulturellen Hegemonie für eine Strategieänderung argumentiert. Entsprechend werden erfolgreiche Praktiken der Linken für eigene Ziele instrumentalisiert. So propagierten Nazis bereits Hausbesetzungen als Möglichkeit, um in den Besitz eigener Zentren zu kommen, und führten diese sogar durch. So forderten zum Beispiel Nazis aus dem Umfeld der „Kameradschaft Karlsruhe“ Ende 2003 ein „nationales Zentrum“ - getreu dem Motto: Wenn die Linken eins (die Ex-Steffi) haben, wollen wir auch eins.
Gleichzeitig wird dazu aufgerufen, das vermeintlich überkommene Denken in „links und rechts“ abzulegen und eine gemeinsame Front („Querfront-Strategie“) gegen die angeblich beide Seiten in gleicher Art betreffenden herrschenden Interessen zu formieren. Dies legitimiert selbstverständlich auch die nahezu unveränderte Übernahme linker Praktiken wie beispielsweise das Auftreten bei Demos als „Schwarzer Block“ oder die so genannten autonomen Nationalisten. Hierbei ist das zu erreichende Ziel natürlich nach wie vor in der menschenverachtenden Ideologie der extremen Rechten zu verorten.

„Übernahme“ städtischer Jugendzentren
In Regionen mit einer starken rechten Jugendsubkultur ist ein weiteres Phänomen zu beobachten: Die hier sowieso das Straßenbild prägenden Nazis sind gleichzeitig das Publikum in städtischen Jugendzentren und versuchen, diese zu dominieren. Durch verbale und physische Angriffe, aber auch nur durch die bloße Anwesenheit und die damit verbundene ständige Bedrohung werden alle, die nicht in das Raster faschistischer Ideologie passen, vertrieben. So kann sich in städtischen Räumen eine rechte Jugend- bzw. Subkultur ausbreiten und die Angebote, die Jugendhäuser stellen, wie z. B. Räume für Konzerte, Partys, Treffen, für sich nutzen. Von städtischer Seite wird nur selten gegengesteuert; das Problem wird vielmehr bagatellisiert und ignoriert. Das Konzept der „akzeptierenden Jugendarbeit“ mit rechten Jugendlichen hat das Seine getan, um solchen Entwicklungen Vorschub zu leisten.

Links ungleich rechts
Eine etwas seltsam anmutende Forderung „Was die Linken haben, wollen wir auch“ bietet für die Nazis zahlreiche Vorteile. Können sie doch auf diese Weise entweder recht einfach in den Besitz eigener Zentren und Projekte gelangen, oder, falls dies nicht möglich sein sollte, linke Projekte diskreditieren, indem sie eine Argumentationsstrategie nach dem Motto: „Links = Rechts“ nahe legen.
Doch diese totalitaristische Argumentation geht ins Leere; sind doch die grundsätzlichen Überlegungen, was linke Zentren darstellen und vermitteln sollen, von denen rechter Projekte grundsätzlich verschieden. Allein die Frage danach, wer solche Zentren nutzen darf, macht die Kluft zwischen den unterschiedlichen Konzepten deutlich.
„Nationale Zentren“ sind, wie der Name schon sagt, Menschen vermeintlich „deutschen Blutes“ vorbehalten. Demgegenüber wollen linke Zentren gerade gegen den alltäglichen Rassismus Stellung beziehen.
Schließlich sind es nicht die staatlichen Programme gegen Rechts, die den Nazis Einhalt gebieten. Einer starken antifaschistischen Gegenkultur gelingt das sehr wohl. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der gesamtgesellschaftliche Diskurs den Nazis nur allzu oft suggeriert, sie seien nur ausführendes Organ des „Volkswillens“. Gerade in linken selbstverwalteten Zentren organisiert sich der Widerstand gegen faschistische/rassistische Umtriebe und gegen die Etablierung einer rechten Jugendsubkultur.
Außerdem wird durch die emanzipatorische Ausrichtung linker, selbstverwalteter Jugendzentren ein Zusammenleben in gegenseitiger Anerkennung vermittelt und auch praktisch erlebbar gemacht. Und das nicht in von Sozialarbeitern verordneten Spielchen oder Lektüren, sondern durch die praktische Erfahrung, welche die Beteiligten durch selbstverantwortliches und selbstständiges Organisieren und Handeln machen.
Daraus ergibt sich: Wer gegen Nazis ist, muss konsequenterweise auch für selbstverwaltete linke Projekte sein!

Wir sind überall!

Nationale Zentren bekämpfen!
Selbstverwaltete Freiräume erkämpfen und verteidigen!
Schaffen wir zwei, drei, viele linke Freiräume!
 

AIHD, April 2008