Rede der AIHD auf der
Nachttanzdemo für linke selbstverwaltete Zentren am 24.10.2009Bereits im vorigen Jahr waren unter dem Motto „Kein Tag ohne Autonomes Zentrum“ am Abend des 4. Oktober mehrere Hundert Menschen auf die Straße gegangen, um im Rahmen einer so genannten Nachttanzdemo lautstark auf das Fehlen eines größeren selbstverwalteten Treffpunkts hier in Heidelberg aufmerksam zu machen. Diese kraftvolle Demonstration bildete Abschluss und Höhepunkt einer linken „Aktionswoche für ein selbstverwaltetes Kulturzentrum“, das sein Domizil im nach wie vor brach liegenden Bahnbetriebswerk an der Siedlung „Ochsenkopf“ finden sollte. Daraus ist aber nichts geworden!
Im Gegenteil: Alle Bestrebungen, in eben jenem Bahnbetriebswerk oder sonstwo hier in Heidelberg parteiunabhängigen, selbstverwalteten, linken Strukturen einen ausreichenden räumlichen Rahmen zu verleihen, scheitern entweder an den Mehrheitsverhältnissen im von kapitalistischer Verwertungslogik geprägten Gemeinderat oder am politischen Unwillen anderer Interessengruppen, die Ansätze von Autonomie und Emanzipation bereits im Keim ersticken.
Ob das nun das Alte Hallenbad ist, das vor über zehn Jahren von AktivistInnen des zu dieser Zeit noch existierenden Autonomen Zentrums partybesetzt wurde, um es als mögliches neues Objekt in die öffentliche Diskussion zu bringen - und in dem nun entpolitisierte, kommerzialisierte Feten für ein exklusiveres Publikum stattfinden.
Ob das nun die Alte Feuerwehr am Czernyring ist, die ebenfalls in die Debatte um selbstverwaltete Räume eingebracht worden war und ausreichend Platz geboten hätte für eine Vielzahl an Gruppen, Bands und Projekten - und in der nun die neonorange blinkende, aggressiv beworbene Oper für finanzträchtige, etablierte Bevölkerungsschichten installiert wurde.
Ob das nun die von Umstrukturierungsplänen am stärksten betroffene Bahnstadt als Gesamtareal ist, auf dem sich gleich mehrere geeignete Objekte für das räumliche Unterbringen selbstverwalteter Strukturen befinden - und die nun zynischerweise einen vom CDU-nahen Oberbürgermeister Würzner protegierten „Raum für viele neue Ideen“ bieten und durch die sich „Freiraum als durchgängiges Markenzeichen des Stadtteils“ ziehen soll. (Zitate: Grußwort Würzners an die Internetpräsenz des Bahnstadt-Projekts der "Entwicklungsgesellschaft Heidelberg")An all diesen Orten das gleiche Bild: Entweder verrotten diese Gebäude ungenutzt jahrzehntelang vor sich hin, um schließlich in einem größeren städtespezifischen Begründungszusammenhang der Abrissbirne zum Opfer zu fallen oder sie werden schließlich in kommerziell ausgerichtete, von Abhängigkeiten geprägte, hierarchisch strukturierte Treffpunkte transformiert, in die dann auch nur ein bestimmtes Klientel Zutritt hat. Damit ist Heidelberg nur ein Spiegelbild der Idealvorstellung von der übergreifend disziplinierten europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts, der folgende, von horizontaler und sozialräumlicher Ungleichheit geprägte Struktur übergestülpt werden soll: Da ist zum einen die international wettbewerbsfähige Stadt mit luxuriösem Wohnen, aufwändigen Freizeit- und Kultureinrichtungen, Flughäfen usw. Dann ist da zum anderen die Versorgungs- und Wohnstadt der so genannten Mittelschicht. Und schließlich gibt es noch die marginalisierte Stadt der Randgruppen, der Ausgegrenzten, der dauerhaft Arbeitslosen, der MigrantInnen, der Drogenabhängigen, der „verwahrlosten“ Obdachlosen und der Armen, also der ökonomisch benachteiligten, fremden, als gefährlich stigmatisierten, visuell auffälligen Personen.
Umso wichtiger ist es, erneut auf die Straße zu gehen und offensiv „für linke selbstverwaltete Zentren in Heidelberg und überall“ zu demonstrieren. Denn in linken Zentren kann der in der bürgerlichen Gesellschaft forcierten, von Apathie gekennzeichneten und zur primären Identitätsstiftung erhobenen Konsumhaltung begegnet werden, indem dort die im Kapitalismus dominierenden Vergesellschaftungsweisen und Sachzwänge permanent in Frage gestellt sowie Alternativen denk-, erfahr- und erlebbar gemacht werden. In solchen Zentren, für die es genug Platz gäbe, kann das in den kapitalistisch verfassten Wettbewerbsstaaten omnipräsente Konkurrenzprinzip der Leistungs- und Ellbogengesellschaft räumlich durchbrochen und gemeinsam und unter gegenseitiger Rücksichtnahme an den unterschiedlichsten Projekten gearbeitet werden. Dies alles steht unweigerlich im Kontext eines universellen politischen Anspruchs: Denn nur in einem Raum jenseits von sexistischen, rassistischen und nationalistischen Zwängen ist gewährleistet, dass alle die Chance haben, sich gemäß ihrer Bedürfnisse frei zu entfalten.
Zeigen wir den Stadtverwaltungen, den privaten Sicherheitsdiensten und dem herrschenden System, dass wir die fortschreitende Beschneidung elementarer Rechte und die damit einhergehende Verschärfung von staatlicher Repression und gesellschaftlicher Überwachung nicht kampflos hinnehmen werden! Lasst uns Treffpunkte aufbauen, in denen das Eintreten für selbstbestimmtes, emanzipatorisches Leben möglich ist. Orte, an denen wir uns frei von sozialarbeiterischer Kontrolle, städtischer Einflussnahme, parteiförmiger Bevormundung und finanzieller Abhängigkeit in größeren Gruppen treffen, austauschen und zu Aktionen verabreden können. Orte, die als Ausgangspunkte für antifaschistische Aktivitäten und als Gegengewicht zu einer rechten Subkultur dienen. Orte, an denen die notwendigen strukturellen Grundlagen für eine erfolgreiche linksradikale Bewegung existieren können.
Wir werden uns den Raum nehmen, zu leben, zu diskutieren, zu reden, grundsätzliche Gesellschaftskritik zu entwickeln und zu feiern, wann, wo und mit wem wir wollen; ganz gleich, ob das den kapitalistischen VerwertungsstrategInnen und konservativen SicherheitsfanatikerInnen passt oder nicht!
Für ein neues Autonomes Zentrum (AZ) in Heidelberg!
AIHD, 24.10.2009