Auch in diesem Jahr lädt
die Stadt Heidelberg wieder am so genannten Volkstrauertag zu einer Gedenkfeier
ein. Diese findet wie jedes Jahr bei der nationalsozialistischen Propagandastätte
auf dem Ameisenbuckel statt, die auch heute noch im übelsten Nazi-Jargon
als „Ehrenfriedhof“ bezeichnet wird. Der „Ehrenfriedhof“ ist ebenso wie
die „Thingstätte“ ein Musterbeispiel faschistischer Propagandaarchitektur
– mit einer bombastischen Aufmarschallee, die an Gräberfeldern vorbei
auf einen klobigen Opferstein zuläuft um dahinter im Nichts zu enden
ist sie ein idealtypisches Beispiel für nazistische Herrenmenschenästhetik
und ihren Todeskult.
Der „Ehrenfriedhof“, in
den Jahren 1933 bis 1935 vom Reichsarbeitsdienst aus dem Boden gestampft,
war ursprünglich konzipiert für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges
- mit Ausnahme der jüdischen, deren Namen aus den Listen getilgt wurden.
1934 wurde er von Nazi-Bürgermeister Carl Neinhaus feierlich eingeweiht.
Bereits 1940 wurde er dann um Ehrenmale für getötete Mitglieder
der Wehrmacht und der SS erweitert. An der Konzeption dieses Friedhofes
mit seiner faschistischer Ästhetik ist nach 1945 nichts verändert
worden. Lediglich eine dezente Inschrift mit dem Text „Den Opfern von Krieg
und Gewalt“ wurde an dem monumentalen Felsblock angebracht.
Die alljährliche makabere
städtische Propagandashow war auch nach der militärischen Niederschlagung
des Nazi-Faschismus ein beliebter Anziehungspunkt für faschistische
Gruppen. Hier konnten SS-Veteranenverbände und Studentenverbindungen,
die es in der Öffentlichkeit mit der Akzeptanz ihrer revanchistischen
Positionen zuweilen schwer hatten, traute Einigkeit mit den Honoratioren
der Stadt bekunden. Die VertreterInnen der Gemeinderatsfraktionen von SPD
bis CDU waren alljährlich dabei und seit dem Wiedereintritt Deutschlands
in die militärische Weltpolitik, der mit dem Angriffskrieg auf Jugoslawien
begann, erweisen auch die Grünen den gefallenen ‚arischen’ Soldaten
ihre Referenz. Auch die einstigen Kriegsgegner sind sich nicht zu schade,
sich an diesem Aufmarsch in der Geisterbahn des deutschen Militarismus
zu beteiligen: NATO und US-Army legen alljährlich neben städtischen
VertreterInnen und faschistischen Burschenschaftern ihre Kränze nieder.
Was auf den ersten Blick
ebenso morbide wie absurd anmutet, ist aber weit mehr als nur ein Ausdruck
von Geschmacklosigkeit oder mangelnder historischer Sensibilität.
Der Bezug auf die Gefallenen der beiden letzten von Deutschland angezettelten
Kriege ist eine Notwendigkeit für eine Armee, die auch heute wieder
beansprucht, die ‚westliche Zivilisation’ mit militärischer Gewalt
in alle Welt zu tragen.
Der CDU-Bürgermeister
von der Malsburg verkündete programmatisch bei der Gedenkfeier des
Jahres 2002 - auch im Namen der sozialdemokratischen Oberbürgermeisterin
Weber -, nachdem er der gefallenen Wehrmachtssoldaten gedacht hatte: „Soldaten
müssen weiter in Kriege ziehen, um Recht und Freiheit zu schützen.“
(Rhein-Neckar-Zeitung, 18.11.2002)
Die wahrheitsgetreue Benennung
der deutschen Täter als verbrecherische Mörderbande könnte
womöglich die Legitimation der heutigen „Weltordnungskriege“, an denen
sich die deutsche Armee beteiligt, in Frage stellen. Daran haben offensichtlich
selbst die US-amerikanischen Mitglieder der einstigen Anti-Hitler-Koalition
kein Interesse. Nicht umsonst ist mit dem so genannten „Ehrenkreuz der
Bundeswehr für Tapferkeit“ im vergangenen Jahr von Kriegsminister
Jung ein militärischer Orden gestiftet worden, der sich an das „Eiserne
Kreuz“ von Reichswehr und Wehrmacht anlehnt.
Weniger denn je lässt sich in der Öffentlichkeit vertuschen, dass die Bundeswehr z.B. in Afghanistan kriegführende Armee in einem Konflikt ist, der selbst bei höchstem demagogischem Aufwand nicht mehr als „Verteidigungseinsatz“ zu verkaufen ist. Die gleichmacherische Inschrift, die seit der Nachkriegszeit den nationalsozialistischen Opferstein auf dem „Ehrenfriedhof“ ziert („... den Opfern von Krieg und Gewalt in aller Welt ...“) dient ebenso wie die weichgespülte Rhetorik, die die Stadtoberen bei ihren Volkstrauertagsreden meist anklingen lassen, in erster Linie dazu, die Opfer des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges mit den Tätern in einen Topf zu werfen. Die militaristische Form des Gedenkens mit Uniformen, Marschtritt und Bläserbegleitung ist also nur die andere Seite der selben hässlichen Medaille.
Unser Gedenken gilt anderen Toten: Wir gedenken in Dankbarkeit all derer, die als Soldaten der Anti-Hitler-Koalition im Kampf gegen die Nazi-Barbarei ihr Leben ließen, in erster Linie den Hunderttausenden Gefallenen der Roten Armee. Wir gedenken derer, die als Angehörige des Widerstands gefallen sind oder in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Wir gedenken nicht zuletzt aller Deserteure und Saboteure, die ihren Einsatz gegen die Kriegsmaschine mit dem Leben bezahlten. Für die willigen Täter des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges ist bei unserem Gedenken kein Platz.
Die städtische ‚Gedenkveranstaltung’ auf dem Ehrenfriedhof ist eine stetige Verhöhnung der Opfer des deutschen Faschismus und eine Verharmlosung seiner Verbrechen. Sie ist darüber hinaus eine militaristische Propagandaveranstaltung zur Legitimation aktueller imperialistischer Kriege. Wir werden keine Ruhe geben, bis dieses makabere revisionistische Spektakel der Vergangenheit angehört.
Deutsche Täter sind
keine Opfer!
Schluss mit dem Heldengedenken!
Krieg dem imperialistischen
Kriege!
AIHD, November 2009