Redebeitrag der AIHD auf dem 14. Antifa-Straßenfest am 30.04.2011
 

Wir feiern heute das 14. Antifaschistische Straßenfest im Rahmen unserer Kampagne „Still not lovin the Police - Gegen Polizeiterror und Repression“. Wie jedes Jahr ist das Straßenfest - wie dem jährlichen Motto „Zusammen Kämpfen - Zusammen feiern“ und der allgemeinen Gestaltung zu entnehmen ist - primär eine politische Veranstaltung, und als solche auch als Kundgebung angemeldet. Christian Zacherle, der Leiter des Polizeireviers Heidelberg Mitte, scheint dies entweder nicht verstanden zu haben, oder aber gerade die politische Meinungsäußerung ist ihm ein Dorn im Auge. So versuchte er letztes Jahr, mit einem Stoßtrupp hochgerüsteter Polizisten eine Eskalation zu provozieren. Eine Eskalation des Straßenfests wäre auch genau das gewesen, was Zacherle als willkommenes Werkzeug der Politik in ihrem Wahn gegen Linke gebraucht hätte. Die Teilnehmer_innen verhinderten diesen politischen Schachzug, indem sie - teilweise sogar unter Alkoholeinfluss - mehr Besonnenheit bewiesen als besagter Crowd-Manager.
Die Zeiten, in denen wir solche Provokationen der Vermittlung politischer Inhalte wegen unbeantwortet verstreichen lassen, sind allerdings endgültig vorbei.
So ist das letzte Straßenfest nur ein Glied in einer langen Kette von mehr oder weniger geschickten Winkelzügen der Polizei, die das Ziel haben, linke Politik zu kriminalisieren.
Die Polizei agiert offen als politische Akteurin gegen jegliche oppositionelle Gruppen und Einzelpersonen. Neu ist diese Kompetenzüberschreitung nicht, aber das Ausmaß, das sie in letzter Zeit angenommen hat, sollte eigentlich jedes vernunftbegabte Wesen in Rage versetzen. In Heidelberg ist ein rasanter Anstieg repressiver Maßnahmen seit Herbst 2009 zu spüren. Im Herbst 2009 trat auch Christian Zacherle seinen Dienst in Heidelberg an. Ein Schelm ist, der da Schlechtes denkt.
Zacherles Werdegang spricht allerdings dafür, dass er gerade wegen seiner opportunistischen Bereitschaft, auch offen illegale Methoden im Kampf gegen politisch Andersdenkende anzuwenden, in Heidelberg eingesetzt wurde.
Nach seiner Masterarbeit über Prävention und Intervention bei Massenpaniken traf der aufstiegsorientierte Primus auf Strukturen, die scheinbar auf ihn gewartet haben. So kann er sich der Unterstützung auf den unterschiedlichsten Ebenen sicher sein:
Dem Heidelberger Ordnungsamt beispielsweise scheint seine eigentliche Aufgabe, das Regeln des Verkehrs und das Ahnden von Bagatelldelikten, zu Kopf gestiegen zu sein. Demonstrationen werden mit schikanösen Auflagen überzogen.

Beispiele hierfür gibt es genug. Willkürliche Einschränkungen der Meinungsäußerung, wie eine Maximallänge von Transparenten oder ein Vorschreiben der Schrittgeschwindigkeit der Demo, sind fast schon harmlose Beispiele bei der Betrachtung der weiteren Fehltritte. Bei der Mumia-Demo 2010 versuchten sie allen Ernstes, Personalien sämtlicher Ordner_innen und Redner_innen zu bekommen. Anmelder_innen werden aus obskuren Gründen abgelehnt oder im Nachhinein ermittlungsbehördlich mit Repressionen überzogen. Die Personalien des Anmelders der Nachttanzdemonstration am 16.04.2011 wurden vom Ordnungsamt sogar ohne Wimpernzucken an eine obskure Plakatierfirma weitergegeben, die dann eine Rechnung wegen des angeblichen Überklebens ihrer Plakate mit Nachttanzdemopostern stellte. Beim letztjährigen geschichtsrevisio-
nistischen so genannten Heldengedenken auf dem Ehrenfriedhof bedrängten Vertreter_innen des Ordnungsamts, Seit an Seit mit Christian Zacherle persönlich, Aktivist_innen, die den wahren Opfern des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs gedenken wollten.
Nicht nur dort fand Zacherle neue Freunde: Eckart Würzner, Oberbürgermeister von Heidelberg und Alter Herr der Corps Suevia, ist dankbar für jede Möglichkeit, seine Wut über das von ihm abgesagte 200-jährige Stiftungsfest seiner Verbindung an der linken Szene Heidelbergs auszulassen.
Auch die Rhein-Neckar-Zeitung ist bemüht, inhaltliche Aspekte linker Veranstaltungen zu verschweigen. Stattdessen werden im Vorfeld Horrorszenarien heraufbeschworen und im Nachhinein Lappalien hochstilisiert, um besagte Horrorszenarien zu bestätigen. An Stelle kritischen Journalismus fungiert die RNZ als Sprachrohr der Polizei, mit fast schon skurriler Hörigkeit. Sie bringt es tatsächlich fertig, in ihrer hetzerischen, tendenziösen Berichterstattung die Anzahl an Teilnehmenden der letzten Nachttanzdemo von 1200 auf die von der Polizei erlogenen 500 zu reduzieren - obwohl einer ihrer Redakteure selber anwesend war. Naziveranstaltungen hingegen werden totgeschwiegen oder relativiert. Schließlich müssten dann ja zu viele unangenehme Fragen beantwortet und Realitäten aufgezeigt werden.
Der in Heidelberg aufgedeckte Spitzeleinsatz schließlich, der formell von der Heidelberger Polizeidirektion angefordert wurde, ist in Baden-Württemberg kein Einzelfall. Nach massivem politischem Druck kommen nach und nach immer mehr Skandale zum Vorschein. Sei es der Einsatz von Spitzeln aus anderen Ländern beim Nato-Gipfel in Kehl oder seien es verdeckte Ermittler, die als agent provocateurs versucht haben, die Proteste um Stuttgart21 zu kriminalisieren.
All dies geschah unter den Ministerpräsidenten Oettinger bzw. Mappus und unter Innenminister Rech. Wir fordern die Regierungsparteien in Stuttgart auf, die noch verbliebenen zwei Heidelberger Spitzel, die jetzt ihre Spitzel sind, unverzüglich abzuziehen!

Doch auch damit wäre der demokratische Anspruch, den sich bürgerliche Heuchler und Kapitalismus-Apologeten nur allzu gerne selbst zu schreiben, bei weitem noch nicht wieder hergestellt:
Zacherle und sein Schnüffler Simon Bromma sind nur die sichtbaren Auswüchse eines Sumpfs, der längst nicht mehr an einzelnen Personen festgemacht werden kann.
Ein mittlerweile über Jahrhunderte gepflegter Antikommunismus, eine panische Angst vor allem, was das Privateigentum bedrohen könnte, eine Reduzierung des Menschen auf seinen Arbeitswert bei gleichzeitiger Fetischisierung materieller Dinge, das Schüren von Abstiegsängsten in einer durchkapitalisierten Klassengesellschaft. All dies sind nur einige, an dieser Stelle nicht näher erläuterbare, systemimmanente Mechanismen, die die Polizei, deren wichtigste Funktion es ist, das Eigentum zu schützen, in ein Netz aus Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung einflechten.
Lasst uns dieses Netz gemeinsam zerreißen!
Wer eine Gesellschaft ablehnt, die nur auf Profitmaximierung weniger ausgerichtet ist und die den Menschen dabei auf den Gegenwert der von ihm abpressbaren Arbeitskraft reduziert, der wird sich ganz konkret und auch im politischen Alltag gegen eine Polizei wehren müssen, die gewaltsam und mit allen denkbaren schmutzigen Tricks dieses kapitalistische Akkumulationsregime durchsetzt und durchprügelt. Eine solche Politik, die sich gegen die Polizei als eigenständig operierende politische Akteurin richtet, darf nicht aus dem Auge verlieren, dass die Herrschaftsstrukturen, die unsere Gesellschaft bestimmen, nicht in Gestalt einer Polizeiuniform zu treffen sind. Umgekehrt bedeutet das aber nicht, dass es nicht notwendig wäre, sich dem kapitalistischen Wettbewerbsstaat auch dort ganz praktisch entgegenzustellen, wo er als Polizeiknüppel, Wasserwerfer oder Überwachungskamera auftritt.
Die Polizei agiert immer auch als Instrument zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen, von Verwertungslogik durchdrungenen Ordnung - ob bei der Verfolgung von Flüchtlingen, bei der Vertreibung von BettlerInnen und Obdachlosen oder auch bei der Bekämpfung sozialen Protestes. Diese politische Rolle der Polizei gilt es immer wieder aufzudecken und zu bekämpfen.

Still not loving the police!
Und kommt am 21. Mai zur Demo nach Heidelberg!
 

Antifaschistische Initiative Heidelberg, 30.04.2011