Wir feiern heute das 14.
Antifaschistische Straßenfest im Rahmen unserer Kampagne „Still not
lovin the Police - Gegen Polizeiterror und Repression“. Wie jedes Jahr
ist das Straßenfest - wie dem jährlichen Motto „Zusammen Kämpfen
- Zusammen feiern“ und der allgemeinen Gestaltung zu entnehmen ist - primär
eine politische Veranstaltung, und als solche auch als Kundgebung angemeldet.
Christian Zacherle, der Leiter des Polizeireviers Heidelberg Mitte, scheint
dies entweder nicht verstanden zu haben, oder aber gerade die politische
Meinungsäußerung ist ihm ein Dorn im Auge. So versuchte er letztes
Jahr, mit einem Stoßtrupp hochgerüsteter Polizisten eine Eskalation
zu provozieren. Eine Eskalation des Straßenfests wäre auch genau
das gewesen, was Zacherle als willkommenes Werkzeug der Politik in ihrem
Wahn gegen Linke gebraucht hätte. Die Teilnehmer_innen verhinderten
diesen politischen Schachzug, indem sie - teilweise sogar unter Alkoholeinfluss
- mehr Besonnenheit bewiesen als besagter Crowd-Manager.
Die Zeiten, in denen wir
solche Provokationen der Vermittlung politischer Inhalte wegen unbeantwortet
verstreichen lassen, sind allerdings endgültig vorbei.
So ist das letzte Straßenfest
nur ein Glied in einer langen Kette von mehr oder weniger geschickten Winkelzügen
der Polizei, die das Ziel haben, linke Politik zu kriminalisieren.
Die Polizei agiert offen
als politische Akteurin gegen jegliche oppositionelle Gruppen und Einzelpersonen.
Neu ist diese Kompetenzüberschreitung nicht, aber das Ausmaß,
das sie in letzter Zeit angenommen hat, sollte eigentlich jedes vernunftbegabte
Wesen in Rage versetzen. In Heidelberg ist ein rasanter Anstieg repressiver
Maßnahmen seit Herbst 2009 zu spüren. Im Herbst 2009 trat auch
Christian Zacherle seinen Dienst in Heidelberg an. Ein Schelm ist, der
da Schlechtes denkt.
Zacherles Werdegang spricht
allerdings dafür, dass er gerade wegen seiner opportunistischen Bereitschaft,
auch offen illegale Methoden im Kampf gegen politisch Andersdenkende anzuwenden,
in Heidelberg eingesetzt wurde.
Nach seiner Masterarbeit
über Prävention und Intervention bei Massenpaniken traf der aufstiegsorientierte
Primus auf Strukturen, die scheinbar auf ihn gewartet haben. So kann er
sich der Unterstützung auf den unterschiedlichsten Ebenen sicher sein:
Dem Heidelberger Ordnungsamt
beispielsweise scheint seine eigentliche Aufgabe, das Regeln des Verkehrs
und das Ahnden von Bagatelldelikten, zu Kopf gestiegen zu sein. Demonstrationen
werden mit schikanösen Auflagen überzogen.
Beispiele hierfür gibt
es genug. Willkürliche Einschränkungen der Meinungsäußerung,
wie eine Maximallänge von Transparenten oder ein Vorschreiben der
Schrittgeschwindigkeit der Demo, sind fast schon harmlose Beispiele bei
der Betrachtung der weiteren Fehltritte. Bei der Mumia-Demo 2010 versuchten
sie allen Ernstes, Personalien sämtlicher Ordner_innen und Redner_innen
zu bekommen. Anmelder_innen werden aus obskuren Gründen abgelehnt
oder im Nachhinein ermittlungsbehördlich mit Repressionen überzogen.
Die Personalien des Anmelders der Nachttanzdemonstration am 16.04.2011
wurden vom Ordnungsamt sogar ohne Wimpernzucken an eine obskure Plakatierfirma
weitergegeben, die dann eine Rechnung wegen des angeblichen Überklebens
ihrer Plakate mit Nachttanzdemopostern stellte. Beim letztjährigen
geschichtsrevisio-
nistischen so genannten
Heldengedenken auf dem Ehrenfriedhof bedrängten Vertreter_innen des
Ordnungsamts, Seit an Seit mit Christian Zacherle persönlich, Aktivist_innen,
die den wahren Opfern des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs
gedenken wollten.
Nicht nur dort fand Zacherle
neue Freunde: Eckart Würzner, Oberbürgermeister von Heidelberg
und Alter Herr der Corps Suevia, ist dankbar für jede Möglichkeit,
seine Wut über das von ihm abgesagte 200-jährige Stiftungsfest
seiner Verbindung an der linken Szene Heidelbergs auszulassen.
Auch die Rhein-Neckar-Zeitung
ist bemüht, inhaltliche Aspekte linker Veranstaltungen zu verschweigen.
Stattdessen werden im Vorfeld Horrorszenarien heraufbeschworen und im Nachhinein
Lappalien hochstilisiert, um besagte Horrorszenarien zu bestätigen.
An Stelle kritischen Journalismus fungiert die RNZ als Sprachrohr der Polizei,
mit fast schon skurriler Hörigkeit. Sie bringt es tatsächlich
fertig, in ihrer hetzerischen, tendenziösen Berichterstattung die
Anzahl an Teilnehmenden der letzten Nachttanzdemo von 1200 auf die von
der Polizei erlogenen 500 zu reduzieren - obwohl einer ihrer Redakteure
selber anwesend war. Naziveranstaltungen hingegen werden totgeschwiegen
oder relativiert. Schließlich müssten dann ja zu viele unangenehme
Fragen beantwortet und Realitäten aufgezeigt werden.
Der in Heidelberg aufgedeckte
Spitzeleinsatz schließlich, der formell von der Heidelberger Polizeidirektion
angefordert wurde, ist in Baden-Württemberg kein Einzelfall. Nach
massivem politischem Druck kommen nach und nach immer mehr Skandale zum
Vorschein. Sei es der Einsatz von Spitzeln aus anderen Ländern beim
Nato-Gipfel in Kehl oder seien es verdeckte Ermittler, die als agent provocateurs
versucht haben, die Proteste um Stuttgart21 zu kriminalisieren.
All dies geschah unter den
Ministerpräsidenten Oettinger bzw. Mappus und unter Innenminister
Rech. Wir fordern die Regierungsparteien in Stuttgart auf, die noch verbliebenen
zwei Heidelberger Spitzel, die jetzt ihre Spitzel sind, unverzüglich
abzuziehen!
Doch auch damit wäre
der demokratische Anspruch, den sich bürgerliche Heuchler und Kapitalismus-Apologeten
nur allzu gerne selbst zu schreiben, bei weitem noch nicht wieder hergestellt:
Zacherle und sein Schnüffler
Simon Bromma sind nur die sichtbaren Auswüchse eines Sumpfs, der längst
nicht mehr an einzelnen Personen festgemacht werden kann.
Ein mittlerweile über
Jahrhunderte gepflegter Antikommunismus, eine panische Angst vor allem,
was das Privateigentum bedrohen könnte, eine Reduzierung des Menschen
auf seinen Arbeitswert bei gleichzeitiger Fetischisierung materieller Dinge,
das Schüren von Abstiegsängsten in einer durchkapitalisierten
Klassengesellschaft. All dies sind nur einige, an dieser Stelle nicht näher
erläuterbare, systemimmanente Mechanismen, die die Polizei, deren
wichtigste Funktion es ist, das Eigentum zu schützen, in ein Netz
aus Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung einflechten.
Lasst uns dieses Netz gemeinsam
zerreißen!
Wer eine Gesellschaft ablehnt,
die nur auf Profitmaximierung weniger ausgerichtet ist und die den Menschen
dabei auf den Gegenwert der von ihm abpressbaren Arbeitskraft reduziert,
der wird sich ganz konkret und auch im politischen Alltag gegen eine Polizei
wehren müssen, die gewaltsam und mit allen denkbaren schmutzigen Tricks
dieses kapitalistische Akkumulationsregime durchsetzt und durchprügelt.
Eine solche Politik, die sich gegen die Polizei als eigenständig operierende
politische Akteurin richtet, darf nicht aus dem Auge verlieren, dass die
Herrschaftsstrukturen, die unsere Gesellschaft bestimmen, nicht in Gestalt
einer Polizeiuniform zu treffen sind. Umgekehrt bedeutet das aber nicht,
dass es nicht notwendig wäre, sich dem kapitalistischen Wettbewerbsstaat
auch dort ganz praktisch entgegenzustellen, wo er als Polizeiknüppel,
Wasserwerfer oder Überwachungskamera auftritt.
Die Polizei agiert immer
auch als Instrument zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen, von Verwertungslogik
durchdrungenen Ordnung - ob bei der Verfolgung von Flüchtlingen, bei
der Vertreibung von BettlerInnen und Obdachlosen oder auch bei der Bekämpfung
sozialen Protestes. Diese politische Rolle der Polizei gilt es immer wieder
aufzudecken und zu bekämpfen.
Still not loving the police!
Und kommt am 21. Mai
zur Demo nach Heidelberg!
Antifaschistische Initiative Heidelberg, 30.04.2011