Knietief im braunen Sumpf
Studentenverbindungen  abschaffen!
 

Mitte Juni 2011 geriet die Deutsche Burschenschaft (DB) bundesweit in die Schlagzeilen. Bünder aus dem extrem rechten Zusammenschluss „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ beantragten den Ausschluss der Burschenschaft Hansea Mannheim, weil diese den Studenten Kai Ming Au aufgenommen habe, dessen Eltern aus China stammen. Begründet wurde das von den verbindungsstudentischen Rassekundlern damit, dass Au „eine nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie“ aufweise und daher „die Zugehörigkeit zu einer außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung und damit eine nichtdeutsche Abstammung“ abzuleiten sei. Ein Rechtsgutachten des obersten Gremiums der DB bestätigte den nationalen Brüdern ihre „Rechtsauffassung“.

Erst als der mediale Druck und die öffentliche Empörung zu groß wurden, machte die DB einen vorsichtigen Rückzieher. Der Antrag wurde zurückgezogen und das Rechtsgutachten vorsichtig korrigiert - obwohl auch nach aktuell gültiger Version die Abstammung zentrales Kriterium für die Mitgliedschaft in der DB bleibt.
Auf dem Burschentag im Juni 2011 in Eisenach hat die Deutsche Burschenschaft endgültig ihre völkischen Hosen heruntergelassen. Dass das, was darunter zum Vorschein kam, tiefbraun ist, konnte niemanden überraschen, der sich nur ein wenig mit dem verbindungsstudentischen Milieu beschäftigt.
Mitgliedsbünde der DB fallen seit Jahrzehnten durch neonazistische Netzwerkpflege und völkische Tabubrüche auf. Kaum thematisiert wird in der Diskussion um den jüngsten rassistischen Eklat in der DB, dass Heidelberger Korporationen darin eine zentrale Rolle spielten.
m Jahr 2010, in dem die burschenschaftliche Gemeinschaft den völkischen Putschversuch im Gesamtverband vorbereitete, wurde dieser von einem ihrer exponierten Mitglieder geleitet: der Heidelberger Burschenschaft Normannia, die ihre Villa direkt unter dem Schloss (Kurzer Buckel 7) hat.
Die Normannia ist seit Jahrzehnten für ihre Aktivitäten am rechten Rand bis hin zur Zusammenarbeit mit neonazistischen Gruppen bekannt. So veranstaltete sie auf ihrem Haus bereits Vortragsabende mit verurteilten Rechtsterroristen und organisierte eine klandestine Konferenz mit Holocaustleugnern.
Weil der Ariernachweis-Beschluss öffentlich und in der Presse skandalisiert wurde, bemühten sich einige Burschenschaften, darunter die Heidelberger Frankonia, um Schadensbegrenzung:
„Die in dem Gutachten zum Ausdruck kommende rassistische Geisteshaltung ist mit den freiheitlich demokratischen Idealen der burschenschaftlichen Bewegung und den Prinzipien unseres Bundes unvereinbar“, verkünden Aktivitas und Altherrenschaft auf ihrer Homepage.
So begrüßenswert diese Distanzierung ist - wenn man Geschichte und Gegenwart der Frankonia kennt, klingt sie doch nach einem Ablenkungsmanöver. Noch Mitte der 1990er Jahre war die Burschenschaft Frankonia maßgeblich beteiligt an der Veranstaltung eines revanchistischen „Südtiroler Freiheitskommerses“, der gemeinsam mit anderen Rechtsextremisten abgehalten wurde.
Das Rechtsgutachten, das die Mitgliedschaft in der DB an Rassekriterien festmacht, verfasste der Rechtsausschuss der DB. Vorsitz: Heinz-Uwe Korell von der Heidelberger Burschenschaft Frankonia. Eine Distanzierung von sich selbst also?

Der Rest der verbindungsstudentischen Szene ist bemüht, den völkischen Farbenbrüdern von der DB nicht allzu sehr auf die Füße zu treten.
Der - ebenfalls stramm nationale - Coburger Convent der Landsmannschaften und Turnerschaften (CC) etwa verkündete zwar: „Wir werden in den kommenden Wochen prüfen, ob dies die Einstellung einzelner Burschenschaften ist oder ob sich darin die Meinung einer burschenschaftlichen Mehrheit widerspiegelt. Im ersten Fall erwarten wir eindeutige Reaktionen der DB, beim zweiten wird der CC Konsequenzen daraus ziehen!“
In Heidelberg ist von diesen Konsequenzen indes wenig zu spüren. Im Rahmen der „Heidelberger Interessengemeinschaft“ fechten Landsmannschaften, Turnerschaften und Corps weiterhin Mensuren und prosten einander bei Kommersen und Kneipen zu.
Tatsächlich ist die Auseinandersetzung um die „Ariernachweise“ in der DB im wesentlichen ein Streit zwischen zwei verschiedenen Konzeptionen des völkischen Nationalismus. Gemeinsames Anliegen ist weiterhin das, was der frühere CDU-Innenminister Manfred Kanther als Alter Herr des Corps Guestphalia et Suevoborussia im Jahr 1990 so formulierte: "Wir wollen auch weiterhin national gesinnte Menschen in alle führenden Berufe unserer Gesellschaft entsenden."
Während die Mehrheit der Studentenverbindungen erkannt hat, dass das Beharren auf „Ariernachweisen“ zurzeit einem Posten an der Spitze der Gesellschaft (noch zumindest) eher hinderlich ist, beharrt ein Großteil der Korporationen in der DB weiterhin auf der Konzeption des Volkes als Blutsgemeinschaft. Die Mehrheit der Korporierten deshalb als „liberal“ oder gar „liberal-konservativ“ zu bezeichnen, ist ein Missverständnis. Bejubelt von der Verbindungsszene wurde der vom Ausschluss bedrohte Mannheimer Burschenschafter Kai Ming Au, als er in einem Interview den Nazislogan herunterbetete, er sei stolz, Deutscher zu sein, und zusätzlich anfügte, er sei auch stolz, seinem Vaterland mit der Waffe in der Hand gedient zu haben. Diese nur geringfügig modernisierte Version des Dumpf-Nationalismus ist so recht nach dem Geschmack der studentischen Verbindungsbrüder. Erkennbar ist aber auch die Bestrebung, es sich mit der traditionellen Nazi-Version nicht endgültig zu verderben.
Und so wird es wohl weiterhin viele fröhliche gemeinsame Pauk- und Saufabende der übrigen Heidelberger Verbindungen mit den braunen Burschen von der Normannia geben.

Die studentischen Korporationen – 1945 von den Alliierten zu Recht als Nachfolgeorganisationen des Nationalsozialismus verboten – sind nach wie vor keine harmlosen Traditionsvereine, sondern männerbündische Kaderschmieden im Dienste von Nationalismus, Sexismus und sozialer Ungleichheit. Sie sind nicht modernisierbar oder reformfähig – sie gehören schlicht auf den Müllhaufen der Geschichte.

Nationalismus bekämpfen!
Studentenverbidnungen abschaffen!
 

Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) im Oktober 2011