Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
es ist gut und wichtig, dass wir jedes
Jahr auf dem Bergfriedhof an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
An die Menschen zu erinnern, die im Kampf
gegen die Nazis ihr Leben gelassen haben, bedeutet für uns allerdings
mehr als nur ein Gedenken an die Opfer.
„den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“
steht allenthalben auf Gedenktafeln und so wird es in vielen Feierstunden
auch wiederholt. Ein solches Gedenken verpflichtet beinahe zu nichts mehr.
Im Gegenteil: Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus gehört
mittlerweile zu den Legitimationsritualen des wieder zur Großmacht
gewordenen Deutschland.
Hieß unsere Parole früher „Nie
mehr Faschismus- nie wieder Krieg“ gibt es heute fast keinen deutschen
Kriegseinsatz mehr, der nicht durch den Willen begründet würde,
ein neues Auschwitz zu verhindern.
Es gibt allerdings sehr wohl Möglichkeiten,
sich dieser Instrumentalisierung des Gedenkens zu entziehen. Dazu ist es
allerdings unabdingbar, die beteiligten Menschen nicht als anonyme Opfer
zu begreifen. Zum Gedenken gehört es unabdingbar, die nationalsozialistischen
Täter beim Namen zu nennen und mit ihnen die Kontinuitäten zwischen
Nazi-Deutschland und der BRD. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr ist in
Heidelberg oft die Rede gewesen von den Opfern des Nazi-Massenmorden an
Behinderten und psychisch Kranken. Uns ist bei unseren Protesten gegen
die Prinzhorn-Sammlung oft vorgehalten worden, man erinnere doch an die
‚Euthanasie-Opfer’. Uns ist das nicht genug. Wir bestehen darauf auch an
die Heidelberger Täter zu erinnern: zum Beispiel an Dr. Wendt, der
nach 1945 Professor an der psychiatrischen Uniklinik Heidelberg wurde.
An Dr. Schmieder, der als Klinikleiter und –eigentümer Karriere machte
und 1979 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse erhielt. Oder an Dr. Rauch,
der als Gerichtsgutachter in Prozessen gegen politische Gefangene tätig
war.
Auch im Zusammenhang mit diesem Grab von
Widerstandskämpfern und –kämpferinnen ist an Nazi-Täter
und ihre BRD-Karrieren zu erinnern: An den Staatsanwalt, der die Todesstrafe
gegen Heinrich Fehrentz beantragte und bis zu seiner Pensionierung unbehelligt
als BRD-Richter tätig war. An den Gestapo-Mann, der Fehrentz verhaftete
und ebenfalls bis zu seiner Pensionierung hochgeehrt als Studienrat an
einem Heidelberger Elite-Gymnasium unterrichtete.
Wir wollen aber auch nicht vergessen,
dass die Menschen, die hier begraben liegen, nicht namenlose Opfer sind.
Sie wussten, was sie riskierten und sie wussten warum sie es taten. Sie
waren Sozialistinnen und Sozialisten, Kommunistinnen und Kommunisten und
daher erkannten sie den Faschismus als besonders barbarische Form der kapitalistischen
Herrschaft. Ihr Kampf war ein Kampf gegen jede Form der bürgerlichen
Herrschaft und hatte zum Ziel. „alle Verhältnisse umzustürzen,
in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein verächtliches und geknechtetes
Wesen ist“.
Noch einmal: es ist gut, dass wir hier
gemeinsam zum Gedenken versammelt sind und es ist auch gut, dass hier Menschen
unterschiedlichster politischer Herkunft stehen. Aber wir wollen nicht
nur an das Leid der Ermordeten erinnern, sondern auch an ihre Ziele.
Wir gedenken unserer ermordeten Genossinnen
und Genossen, gestorben im Kampf gegen den Faschismus und die Herrschaft
des Kapitals.
Heidelberg, 01.11.2001