Rede der AIHD auf der Gedenkveranstaltung für die Opfer der Nazi-Justiz
auf dem Bergfriedhof Heidelberg am 01.11.2001
 

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

es ist gut und wichtig, dass wir jedes Jahr auf dem Bergfriedhof an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
An die Menschen zu erinnern, die im Kampf gegen die Nazis ihr Leben gelassen haben, bedeutet für uns allerdings mehr als nur ein Gedenken an die Opfer.
„den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ steht allenthalben auf Gedenktafeln und so wird es in vielen Feierstunden auch wiederholt. Ein solches Gedenken verpflichtet beinahe zu nichts mehr. Im Gegenteil: Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus gehört mittlerweile zu den Legitimationsritualen des wieder zur Großmacht gewordenen Deutschland.
Hieß unsere Parole früher „Nie mehr Faschismus- nie wieder Krieg“ gibt es heute fast keinen deutschen Kriegseinsatz mehr, der nicht durch den Willen begründet würde, ein neues Auschwitz zu verhindern.
Es gibt allerdings sehr wohl Möglichkeiten, sich dieser Instrumentalisierung des Gedenkens zu entziehen. Dazu ist es allerdings unabdingbar, die beteiligten Menschen nicht als anonyme Opfer zu begreifen. Zum Gedenken gehört es unabdingbar, die nationalsozialistischen Täter beim Namen zu nennen und mit ihnen die Kontinuitäten zwischen Nazi-Deutschland und der BRD. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr ist in Heidelberg oft die Rede gewesen von den Opfern des Nazi-Massenmorden an Behinderten und psychisch Kranken. Uns ist bei unseren Protesten gegen die Prinzhorn-Sammlung oft vorgehalten worden, man erinnere doch an die ‚Euthanasie-Opfer’. Uns ist das nicht genug. Wir bestehen darauf auch an die Heidelberger Täter zu erinnern: zum Beispiel an Dr. Wendt, der nach 1945 Professor an der psychiatrischen Uniklinik Heidelberg wurde. An Dr. Schmieder, der als Klinikleiter und –eigentümer Karriere machte und 1979 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse erhielt. Oder an Dr. Rauch, der als Gerichtsgutachter in Prozessen gegen politische Gefangene tätig war.
Auch im Zusammenhang mit diesem Grab von Widerstandskämpfern und –kämpferinnen ist an Nazi-Täter und ihre BRD-Karrieren zu erinnern: An den Staatsanwalt, der die Todesstrafe gegen Heinrich Fehrentz beantragte und bis zu seiner Pensionierung unbehelligt als BRD-Richter tätig war. An den Gestapo-Mann, der Fehrentz verhaftete und ebenfalls bis zu seiner Pensionierung hochgeehrt als Studienrat an einem Heidelberger Elite-Gymnasium unterrichtete.
Wir wollen aber auch nicht vergessen, dass die Menschen, die hier begraben liegen, nicht namenlose Opfer sind. Sie wussten, was sie riskierten und sie wussten warum sie es taten. Sie waren Sozialistinnen und Sozialisten, Kommunistinnen und Kommunisten und daher erkannten sie den Faschismus als besonders barbarische Form der kapitalistischen Herrschaft. Ihr Kampf war ein Kampf gegen jede Form der bürgerlichen Herrschaft und hatte zum Ziel. „alle Verhältnisse umzustürzen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein verächtliches und geknechtetes Wesen ist“.
Noch einmal: es ist gut, dass wir hier gemeinsam zum Gedenken versammelt sind und es ist auch gut, dass hier Menschen unterschiedlichster politischer Herkunft stehen. Aber wir wollen nicht nur an das Leid der Ermordeten erinnern, sondern auch an ihre Ziele.
Wir gedenken unserer ermordeten Genossinnen und Genossen, gestorben im Kampf gegen den Faschismus und die Herrschaft des Kapitals.

Heidelberg, 01.11.2001