Kampf der NATO-Kriegspolitik!
Kampf dem islamistischen Terror!

F-18-Flugzeug im KampfeinsatzKrieg ist wieder zum Alltag geworden.
Die Bilder im Fernsehen zeigen den Krieg, der bisher nur gegen Afghanistan geführt wird als eine Art virtueller Gangsterjagd zur Verteidigung der westlichen Werte. Kaum eine Rolle spielt in der Öffentlichkeit, dass dieser Krieg wie jeder andere nicht in erster Linie eine finstere Clique von MachthaberInnen trifft, sondern maßloses Leid, Hunger, Flucht und Obdachlosigkeit für unzählige Menschen aus der Zivilbevölkerung bedeutet.
Das Entsetzen über die Anschläge vom 11. September 2001 hat die Sprache der Herrschenden und ihrer Journaille bis zur Kenntlichkeit verzerrt: Das World Trade Center und das Pentagon wurden allenthalben bezeichnet als „Symbole für all das, was die Werte der bürgerlichen Gesellschaft ausmacht“.
Kapitalismus und Militär als Essenz der Französischen Revolution? Wer so etwas schreibt, gerät leicht in den Verdacht, klammheimliche Freude zu empfinden über die Attentate. Aber wie sollten sich Linke freuen, wenn die einzigen wahrnehmbaren Kontrahenten des westlichen Kapitalismus nur Vertreter einer noch barbarischeren Gesellschaftsordnung sind? Ziel der Attentate, die den Tod von Tausenden Unbeteiligten in Kauf nahmen, war nicht so sehr die Zerstörung symbolischer Werte der bürgerlichen Gesellschaft, sondern in erster Linie die Demütigung eines übermächtigen Rivalen – seit wann hätten die Islamisten auch etwas einzuwenden gehabt gegen Kapitalprofite oder gar gegen Militarismus?

Waffenbrüder Schröder und BushBrothers in arms
Der Feind, der uns präsentiert wird, ist jemand, den ein vernünftiger Mensch eigentlich nur hassen kann und der zum nahezu allmächtigen Dämon aufgebaut wird, verkörpert in der Person Osama Bin Ladens. Dieser steht gegen alles, was der westlichen Zivilisation angeblich heilig ist: Freiheit, Emanzipation und Menschenrechte. So sehr unterscheiden sich die Kontrahenten dieser Auseinandersetzung allerdings nicht: Der politische Islamismus war Ende der 1970er Jahre im Kampf gegen den Warschauer Pakt aufgebaut und gefördert worden als Garant für „unsere“ westlichen Werte – damals konkret als Garant für die freie Marktwirtschaft, wie der Kapitalismus im Schönsprech der Herrschenden heißt. Bereits am 3. Juli 1979 hatte der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter - an der amerikanischen Öffentlichkeit und am Kongress vorbei - 500 Millionen US-Dollar bewilligt, um über die als „Operation Cyclone“ bezeichnete Verbreitung des „islamischen Fundamentalismus“ in Zentralasien die staatssozialistische Sowjetunion zu destabilisieren. Dabei spielte selbstverständlich keine Rolle, dass die Anhänger des islamistischen Gottesstaates schon damals waren, was sie auch heute noch sind: Eine Bande von religiös-fanatischen, antisemitischen und antikommunistischen Massenmördern, unterstützt, finanziert und ausgebildet von den Staaten der „westlichen Wertegemeinschaft“ und ihren Geheimdiensten. Deshalb beschrieb der damalige CIA-Vertreter in Afghanistan, Michael Bearden, die Taliban („Religionsstudenten“) nach ihrer Eroberung Kabuls 1996 wie folgt: „Diese Typen waren nicht einmal die schlimmsten, vielleicht etwas hitzige junge Leute, aber das war immer noch besser als der Bürgerkrieg. Sie kontrollierten das gesamte Gebiet zwischen Pakistan und den Erdgasfeldern Turkmenistans.“
Und das „Wall Street Journal“ bezeichnete die Taliban als „Spieler, die am Besten dazu befähigt [waren], Frieden zu erreichen. Darüber hinaus hatten sie eine entscheidende Stellung inne im Bereich der Sicherung des Landes als eine Haupttransportroute für den Export der riesigen zentralasiatischen Erdöl- und Erdgasreserven und anderer natürlicher Ressourcen“.
Auch heute gehören zu den Hauptprofiteuren der „Allianz gegen den Terror“ Staaten, die mensch nicht einmal mit der Zange anfassen dürfte, ginge es tatsächlich um den Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Terror: Pakistan und Saudi-Arabien zum Beispiel, die stolz als neu gewonnene Bündnispartner präsentiert werden, gehörten bis zuletzt zu den finanziellen und logistischen Förderern der Taliban. Das saudi-arabische Rechtssystem basiert auf der radikalsten Variante der Scharia, des religiösen Gesetzes des Islam, und umfasst die Steinigung von Ehebrecherinnen ebenso wie andere barbarische Hinrichtungs- und Verstümmelungsvarianten für „moralisches Fehlverhalten“. Auch mit eigenen Mitgliedern hatte die NATO nie Probleme, wenn es um die Verletzung von Menschenrechten ging, wie das Beispiel der Türkei zeigt.
Die in Bonn auf dem Petersberg nach völkischen Kriterien zusammengestellte Übergangsregierung - in Deutschland wird das neuerdings „ethnische Ausgewogenheit“ genannt - besteht in erster Linie aus Mujaheddin-Führern, die den Taliban in puncto Massenmord kaum nachstehen. Hätten Menschenrechte und Kriegsverbrechen tatsächlich eine Rolle gespielt, man hätte den größten Teil der Petersberg-Konferenz festnehmen und vor Gericht stellen müssen.

Nie wieder Krieg (ohne uns?)!
Bei jedem Krieg, der zukünftig auf der Erde geführt werden wird, beansprucht Deutschland Mitsprache und - wo sich die Möglichkeit bietet - auch Mitwirkung. Deutsche Soldaten in aller Welt - dieses Szenario, das noch vor wenigen Jahren von der gesamten Parteienlandschaft von CDU bis Grünen vehement abgelehnt wurde, ist heute Realität. Begründung für Schröder und Fischer, aber auch für die „Oppositionsparteien“ CDU und FDP ist Deutschlands „gewachsene Verantwortung in der Welt“. Worin diese Verantwortung begründet ist, hat noch keineR der KriegstreiberInnen so recht zu erklären gewusst - kein Wunder: „Gewachsene Verantwortung“ meint nichts anderes als die wiedergewonnene Weltmachtrolle Deutschlands, die nun auch ihren angemessenen militärischen Ausdruck finden soll.
Um dies in die Realität umzusetzen und damit „den Anspruch [zu untermauern], die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu prägen“ (Feldmeyer, Militärexperte der FAZ), bietet Deutschland innerhalb des auf 100.000 SoldatInnen anwachsenden EU-Eingreiftruppen-Pools mit insgesamt 32.000 Männern und Frauen das größte Kontingent an. Der derzeit noch zu konstatierende US-Rüstungsvorsprung im globalen Kampf um den Zugriff auf Ressourcen im Boden, um Produktionsstandorte und Markteinflüsse soll in den nächsten Jahren merklich verringert werden. Das würde im Klartext heißen, die Militärhaushalte der EU-Staaten über einen Zeitraum von zehn Jahren zu verdreifachen: Die USA haben allein in den vergangenen 15 Jahren 1.500 Milliarden US-Dollar mehr für Militär und Rüstung ausgegeben als die EU-Staaten zusammengenommen.

Deutsche Militärpolitik
Trotz dieser aus militärischer Sicht desillusionierenden Tatsachen sehen vor allem die Deutschen durchaus Sinn darin, der US-amerikanischen Vorrüstung nachzueifern.
Zu diesem Wetteifern gehören unter anderem folgende Programme:
- Die Einsatzkräfte (früher „Krisenreaktionskräfte“) der zur Interventionsarmee umgebauten Bundeswehr sollen auf 150.000 Männer und Frauen verdreifacht werden.
- Die bundesdeutschen Ausgaben für neue Waffen und Ausrüstungen sollen in den nächsten 15 Jahren auf 150 Milliarden Euro ansteigen.
- Ein deutsches radargestütztes Spionage-Satelliten-System (SAR-Lupe) soll 2004 im Orbit installiert werden, um die „eigenständige nationale Urteils-, Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit“ zu gewährleisten.
- Um die „strategische Verlegefähigkeit in der Luft“ zu gewährleisten, sollen bis zum Jahr 2016 73 luftbetankbare Airbus A400M-Kampfzonentransporter angeschafft werden, die einen Gesamtwert von etwa 8,6 Milliarden Euro haben.
- Die Reichweite der Mehrfachraketenwerfer MARS soll auf 70 Kilometer verdoppelt werden.
- Im Jahr 2007 sollen 108 TAIFUNS eingeführt werden, die als Schwarm im Sturzflug LKW, Panzer und Gefechtsstände zerstören können.
- Ab 2003 werden Tornados/Eurofighter mit Marschflugkörpern bestückt.

Killer vom Kommando SpezialkräfteDer Run auf die Plätze ist eröffnet
Die Militärschläge gegen Afghanistan und der im Zusammenhang mit ihnen ausgerufene „Kreuzzug der zivilisierten Welt gegen den Terror“ hat also vor allem Eines bewirkt: Die Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Staaten um wirtschaftliche und politische Einflusszonen wird zunehmend ergänzt um die militärische Komponente. Und dieser Kampf um militärische Vorherrschaft ist bei weitem nicht nur Angelegenheit der USA, auch wenn seit Januar 2002 bekannt ist, dass die Bush-Regierung mit Hilfe eines gigantischen Finanzvolumens in Höhe von 379 Milliarden US-Dollar die größte Kriegsmaschinerie aller Zeiten aufbauen will, innerhalb derer der „Krieg gegen den internationalen Terrorismus“ fast ein Siebtel einnimmt.
Das verstärkte Engagement der BRD und der EU bei ‚Konfliktinterventionen’ in aller Welt – sei es auf diplomatischem Gebiet wie im Fall Israels, sei es auf militärischem wie im Fall Mazedoniens oder sei es auf beiden Gebieten wie im Fall Afghanistans - markieren ein neues Selbstbewusstsein des europäischen Machtblocks. Schon schwärmen PolitikerInnen von der CDU bis hin zu Grünen, die noch vor nicht allzu langer Zeit als „links“ bezeichnet wurden, vom Ende der „unilateralen Weltordnung“ [einseitig dominierte Weltordnung] unter Vorherrschaft der USA.
Machtrivalitäten können künftig auch zunehmend mit militärischen Mitteln ausgetragen werden, wenn es opportun erscheint. Auch Staaten außerhalb der NATO haben die Botschaft gut verstanden. Das zeigt sich etwa am Beispiel der Atommächte Pakistan und Indien. Die neu eingeläutete Phase des Imperialismus erinnert in vielem an alte, überwunden geglaubte Epochen.
So schloss US-Vizepräsident Dick Cheney neulich nicht aus, militärische Aktionen gegen „40 bis 50 Länder“ in Erwägung zu ziehen und dafür einen mehr als 50 Jahre währenden „Neuen Krieg“ in Kauf zu nehmen, der unter Zuhilfenahme verbesserter Massenvernichtungswaffen schließlich erfolgreich beendet werden soll. Der Bush-Berater Richard Perle ging noch einen Schritt weiter und griff bei seiner „Zustandsbeschreibung“ der gegenwärtigen geopolitischen Situation gar in den Fundus nationalsozialistischer Terminologie:
„Das ist der »Totale Krieg«. Wir bekämpfen zahlreiche Feinde. Es gibt viele von ihnen da draußen. (...) Wenn wir - anstatt zu versuchen, schlaue Diplomaten zu »schustern« [abwertend für Pfuscharbeit machen] - ausschließlich einen »Totalen Krieg« führen, werden unsere Kinder Jahre später große Lieder über uns singen.“
Das ist auch der Grund, weshalb die US-Weltraumbehörde SPACECOM (zusammen mit anderen militärischen Einrichtungen) innerhalb der nächsten 20 Jahre die „Full-Spectrum-Dominance“ (»Umfassende Vorherrschaft« auf dem Land, auf See, in der Luft und im Weltraum) an sich reißen will: Die „wachsende Kluft zwischen den Besitzenden und den Besitzlosen der Welt“ stelle eben „neue Anforderungen“ an die größte Supermacht der Erde, denen mensch nur durch eine „Dominanz des ganzen Spektrums“ begegnen könne (aus einem Dokument des US Space Command). Das „Endziel“ des US SPACECOM lautet wörtlich:
„Im 21. Jahrhundert werden die Raumstreitkräfte militärische Operationen im All durchführen. Die sich herausbildende Weltraum-Überlegenheit - ähnlich wie die zu Wasser, auf dem Land und in der Luft - wird uns in die Lage versetzen, eine umfassende Hegemonie zu erreichen.“

„Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche ...“
Dieser Satz Kaiser Wilhelms II. ist in den letzten drei Jahren oft wörtlich oder verklausuliert von PolitikerInnen geäußert worden, wenn es um die „Schicksalsfrage“ deutscher Kriegsbeteiligung ging. Das Umfallen der Grünen vor den Drohungen der SPD im Bundestag hat wohl kaum noch jemanden überrascht - es geschah ja auch deutlich bereitwillig, und das medienwirksame Zieren der Fraktion um Ströbele diente lediglich der Integration verbliebener SkeptikerInnen bei den Grünen, die Moral und Logik nicht ganz so abrupt zu wechseln verstanden wie ihre Frontmänner und -frauen.
Auch aus der Bevölkerung ist kein Entrüstungssturm zu erwarten. Die Friedensbewegung hatte ihren endgültigen Exitus bereits beim deutschen Angriffskrieg gegen Jugoslawien verkündet, und verbliebene „Friedensengel“ vom Schlag eines Martin Walser bemängeln vor allem die Tatsache, dass der Feldzug Deutschlands gegen das Böse momentan noch unter Federführung der USA stattfinden muss.
Dennoch wird schon vorgesorgt für den Fall, dass es tatsächlich einmal kritische Stimmen geben könnte: Der Otto-Katalog zur „Inneren Sicherheit“ setzt all das im Handstreich durch, was ein CDU-Innenminister Kanther all die Jahre nicht verwirklichen konnte: der Ausbau der Rasterfahndung, noch umfassendere Abhör- und Überwachungsmöglichkeiten, verstärkte Repression gegen „AusländerInnen“ und neu konstruierte Delikte, welche die bloße Unterstützung als „terroristisch“ eingestufter Organisationen unter Strafe stellen, auch wenn diese ausschließlich außerhalb der BRD aktiv sind.
Wie diese Gesetze denn tatsächlich dem „Kampf gegen den Terror“ dienen sollen, konnten die GesetzgeberInnen bislang nicht erklären, ganz im Gegenteil: keiner der Attentäter wäre durch diese Methoden entdeckt worden. Wie sie funktionieren, das wird jede linke und antirassistische Opposition schon bald zu spüren bekommen.

Für einen neuen Antiimperialismus
Der Krieg, der gerade geführt wird, und die vielen anderen, die ihm folgen werden, sind nichts anderes als imperialistische Aggressionskriege unter dem Deckmantel der Humanität. Antiimperialismus ist also so aktuell wie kaum jemals zuvor. Daran ändert die Tatsache überhaupt nichts, dass die politischen GegnerInnen dieser imperialistischen Akte alles andere sind als Identifikationsfiguren, die für die Rechte der Unterdrückten kämpfen, wovon der Antiimperialismus der 1960er und 70er Jahre noch ausgehen oder es sich zumindest einreden konnte. Die wahren Opfer der imperialistischen Aggression sind nicht die herrschenden islamistischen Cliquen, sondern die unterdrückten und ausgebeuteten Massen. Für sie Partei zu ergreifen heißt keineswegs, Verständnis zu haben für die durchgeknallten Gotteskrieger, denen ein guter Teil von ihnen nachläuft. Eine linke Antikriegsbewegung wird sich den Platz zwischen allen momentan verfügbaren Stühlen suchen und die mühsame Kleinarbeit auf sich nehmen müssen, dafür zu sorgen, dass die GegnerInnenschaft zu Kapitalismus und Krieg wieder zu einer denkbaren Perspektive wird und damit irgendwann einmal wieder zu einem gesellschaftlich relevanten Faktor.

Eine antikapitalistische Perspektive aufbauen!

Heidelberg, Februar 2002