Kampf um Befreiung statt „Krieg gegen den Terror“!
Der Logik des imperialistischen Krieges entgegentreten!

Die Lüge vom sauberen Krieg
Die Öffentlichkeit hat sich  mittlerweile schon an eine Sprache gewöhnt, die die grausame Realität des Krieges in ihr Gegenteil verkehrt: Krieg wird zur „Friedensmission“, die Zerstörung von Städten zum „humanitären Intervention“, massenhafter Mord zur „Operation“, Tote zu „Kollateralschäden“.
Die zynische Rhetorik vom zielsicheren, chirurgischen Eingriff darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kriege, die in den vergangenen Jahrzehnten im Namen der „westlichen Wertegemeinschaft“ geführt wurden, vor allem einem Muster folgten: Flächenbombardements zur Zerstörung der Infrastruktur des Gegners mit Tausenden Toten in der Zivilbevölkerung, während die eigenen SoldatInnen nur einem geringen Risiko ausgesetzt sind. Lehrreich ist z.B. der Vergleich der lapidaren Meldungen über Tausende im „Antiterrorkrieg“ ermordeter AfghanInnen (wenn die Nachricht überhaupt in unsere Medien dringt) mit dem Staatsakt, der jedem toten Bundeswehrsoldaten bereitet wird – und sei er im Vollrausch unter den eigenen Panzer geraten.
Krieg, das bedeutet immer noch in erster Linie Tod, Vergewaltigung, Folter, Flucht und Vertreibung. Hierbei sind die Akteure vor allem Männer; die Folgen haben in der patriarchalen Gesellschaft vor allem Frauen zu tragen.
Im zweiten Golfkrieg 1990 wurden pro Stunde (!) ungefähr 100 IrakerInnen vom US-Militär getötet. Insgesamt fielen der "Operation Desert Storm" ungefähr 150.000 Menschen zum Opfer. Und all das angeblich im Namen der geknechteten irakischen Zivilbevölkerung und der Menschenrechte. Es ist wahrlich nicht verwunderlich, dass die AnhängerInnenschaft der „westlichen Wertegemeinschaft“ in der Region nicht gerade gewachsen ist.
Den USA und Großbritannien geht es wie allen Krieg führenden Staaten nicht um Menschenrechte, sondern um militärische Präsenz und politische Einflussnahme sowie die Kontrolle von Rohstoffvorkommen. Das darf für Linke allerdings kein Grund sein, den Charakter des irakischen Baath-Regimes zu verharmlosen, wie das in Teilen der Friedensbewegung immer noch üblich ist, die sich beim Shake-hands mit dem irakischen Botschafter gefallen. Eine Solidarisierung mit der antisemitischen, ausbeuterischen und reaktionären Diktatur Saddam Husseins verbietet sich für jedeN, der/dem an individueller und sozialer Emanzipation gelegen ist.
In dieser Situation präsentieren sich die deutsche Regierung wie auch die Oppositionsparteien als „zivile Stimmen der Vernunft“ in einem Konflikt, in dem es nur noch Durchgeknallte zu geben scheint.

Der deutsche Bundesadler als Friedenstaube?
Seit der Irak erneut ins Blickfeld der USA und Großbritanniens geraten ist, versuchen nicht nur die Regierungsparteien, sondern zum Beispiel auch Teile der CDU und der FDP sich als „friedlichen Gegenpart“ zur „kriegslüsternen Politik der USA“ zu profilieren. Große Teile der Friedensbewegung springen auf diesen Zug auf und behaupten, Schröder und Fischer hätten mit ihren „Antikriegspositionen“ das Vertrauen der WählerInnen erworben und dürften es nun nicht enttäuschen. Wer solcher Rede ernsthaft Glauben schenkt, ist bestenfalls naiv. Die rot-grüne Bundesregierung hatte in der letzten Legislaturperiode nicht nur mit den Angriffskriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan unter Beweis gestellt, dass sie selbst den offenen Bruch des Völkerrechts nicht scheut, wenn es darum geht, Deutschland auch militärisch wieder Geltung als Großmacht zu verschaffen.
Die „gewachsene Verantwortung Deutschlands in der Welt“ wurde zum Synonym für den neuerlichen Weltmachtanspruch Deutschlands. Woraus diese „gewachsene Verantwortung“ eigentlich resultiere, das konnte noch kein Politiker und keine Politikerin so recht begründen. Ihre Konsequenz allerdings ist offensichtlich: Deutschland hat international wieder mitzureden: politisch, diplomatisch und – wo es opportun erscheint – auch militärisch.
Die Realität straft die Friedensrhetorik der etablierten Parteien Lügen:
Deutschland stellt im Moment die zweitmeisten Soldaten in Auslandseinsätzen. Zur Zeit sind fast 100.000 Soldaten in 14 Ländern aktiv. Deutsche Truppen agieren rund um den Globus von Mazedonien bis Afghanistan.
Und Deutschland arbeitet bereits daran, seine Kriege nicht mehr nur im Rahmen der NATO führen zu müssen: Unter Federführung von Deutschland und Frankreich soll eine eigenständige „europäischen Eingreiftruppe“ etabliert werden (Anm. 1).
Wie leicht das Friedensgeklingel in offenes Säbelrasseln umschlagen kann, war am so genannten Volkstrauertag auf dem von den Nazis errichteten „Ehrenfriedhof“ in Heidelberg zu erleben. Der erste Bürgermeister, Raban von der Malsburg, verkündete dort auch im Namen der sozialdemokratischen Oberbürgermeisterin Weber, nachdem er der gefallenen Wehrmachtssoldaten gedacht hatte: "Soldaten müssen weiter in Kriege ziehen, um Recht und Freiheit zu schützen." (Rhein-Neckar-Zeitung, 18.11.2002)
Wer in der jetzigen Situation einem "selbstbewussteren Auftreten Deutschlands auf dem internationalen Parkett" und einem "deutschen Gegenpart zum Herrschaftsanspruch der USA" das Wort redet, ist auf dem besten Weg zur Propagierung eines neuen deutschen Imperialismus.

Für einen neuen Antiimperialismus!
Seit dem Ende des Warschauer Paktes tritt die Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Staaten um politische, militärische und wirtschaftliche Einflusszonen wieder verstärkt in den Vordergrund. Dabei tritt ein von Deutschland dominiertes Europa erneut als Rivale der USA auf den Plan des Weltgeschehens. Diese Rivalität ist bisher noch weit davon entfernt, sich als militärische Konfrontation zu äußern, auch wenn mit dem Eintritt Deutschlands in den Weltsicherheitsrat und dem Aufbau eines eigenständigen europäischen Truppenbündnisses die ersten Schritte in diese Richtung bereits getan sind.
Schröders Rede vom "deutschen Weg" und das allgegenwärtige Gerede von "Europa als Korrektiv einer unilateralen US-dominierten Weltordnung" dienen dazu, die Bevölkerung auf die Konfliktlinien der Zukunft einzustimmen.
Im Duden wird „Imperialismus“ definiert als "Bestreben einer Großmacht, ihren politischen, militärischen und wirtschaftlichen Machtbereich ständig auszudehnen". Nichts anderes sind die Bestrebungen der USA, aber auch die der BRD.
Bereits im Ersten Weltkrieg hat der größte Teil der Linken den Fehler begangen, sich im Konflikt der imperialistischen Mächte die Entscheidung für die eine oder andere Seite aufzwingen zu lassen. Allerdings hat auch bereits 1914 ein kleiner Teil der Linken eine Maxime ausgegeben, die für uns heute noch Gültigkeit besitzen muss: "Der Hauptfeind steht im eigenen Land!" (Anm. 2)
Eine neue antiimperialistische Bewegung wird sich zwischen den Fronten positionieren müssen. Eine emanzipatorische, antikapitalistische Bewegung, die kurz- oder mittelfristig siegreich zu sein verspricht und auf die wir uns positiv beziehen könnten, ist nicht in Sicht. Trotzdem und gerade deswegen bleibt es die Aufgabe der Linken, an einer solchen revolutionären Perspektive zu arbeiten.
Ob in den USA oder hier: Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Gegen den Krieg am Golf!
Kampf der NATO- und EU-Kriegspolitik!
Gegen den neuen deutschen Imperialismus!
 

Anmerkungen:
1 Die Entscheidung, die WEU zum militärischen Arm der EU auszubauen, fiel 1999 unter deutscher EU-Präsidentschaft.

2 Titel eines von Karl Liebknecht verfassten Flugblatts aus dem Mai 1915
 

Heidelberg, Januar 2003