Redebeitrag der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD)

auf der Demonstration

für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg am 26.05.2001:

 

 

Das Autonome Zentrum Heidelberg war weit mehr als nur ein Ort, an dem sozialarbeiterInnenfrei gekocht, getanzt, gefeiert oder gekickert werden konnte - es war vor allem ein politischer Treffpunkt für eine Vielzahl antifaschistischer, antirassistischer oder antisexistischer Gruppen. Es war ein selbst verwaltetes, unabhängiges Zentrum, in dem kollektiver Widerstand geleistet wurde gegen den Versuch, die Stadt Heidelberg in noch größerem Rahmen kapitalistischen Vermarktungsstrategien unterzuordnen und sie auf diesem Wege in eine einzige „Sicherheitszone“ zu verwandeln. Hier wurde aktiver Widerstand geleistet gegen großstädtische Ausgrenzungsmethoden, Privatisierungsmodelle und Sicherheitswahn. Das AZ stellte über nahezu acht Jahre hinweg einen Ort dar, an dem flächendeckende Raumverbote für marginalisierte Gruppen durchbrochen wurden. Mit seiner vorteilhaften Lage in nächster Nähe zur Heidelberger Hauptstraße war es deshalb immer all denen verhasst, die an der rigorosen Verdrängung der verschiedenen „Submilieus“ aus dem Innenstadtbereich interessiert sind, um den ungestörten und gesicherten Konsum zu gewährleisten und das Bild der „sauberen“, romantischen TouristInnenstadt aufrechtzuerhalten.

 

Die Politik der Heidelberger Stadtverwaltung gegen das Autonome Zentrum muss im Kontext des Konstrukts der „Inneren Sicherheit“ betrachtet werden, das z. B. mit kommunalen „Gegen Schmutz und Schmierereien“ - Kampagnen vorangetrieben wird. Damit soll ein Stadtbild gewährleistet werden, das frei von störenden Einflüssen

durch nicht-verwertbare Bevölkerungsgruppen ist, zu denen beispielsweise MigrantInnen, Obdachlose, Junkies und Punks gezählt werden.

 

Dieses Konzept der „sauberen Innenstädte“, aus denen linke Treffpunkte oder Menschen, die als Stadtbild beschmutzende „Schandflecke“ marginalisiert werden oder nicht über die entsprechende Kaufkraft verfügen, vertrieben werden, wird durch eine Verschärfung der Polizeiverordnung durchgesetzt. Ergänzung findet diese Politik der „Zero Tolerance“ in elektronisch gestützten Ausgrenzungstaktiken. Dass die Überwachung öffentlicher Räume keineswegs einen Rückgang dessen mit sich bringt, was die Herrschenden und ihre veröffentlichte Meinung „Kriminalität“ nennen, sondern höchstens eine Verlagerung, ist längst jedem, der es wissen will, bekannt.

Tatsächlich wird die immer ausgedehntere Observation der Öffentlichkeit hauptsächlich zur Verfolgung von Bagatelldelikten und zur Erstellung von Bewegungsprofilen unliebsamer Personen benutzt. Dieses Vorgehen wird durch Extrembeispiele wie sexuelle Gewalt gegen Kinder und durch konstruierte Bilder der „organisierten Kriminalität“ gerechtfertigt, die von PolitikerInnen, Presse und Polizei herangezogen werden, um die im kapitalistischen Akkumulationsregime bereits vorhandenen Bedrohungsszenarien dramatisierend zu ergänzen.

Über gemeinsame Abwehrmaßnahmen gegen die sogenannten „Anderen“ soll staatliche Überwachung als Teil einer integrierenden „corporate identity“-Strategie eine Symbiose mit dem Denunziationswillen eines Großteils der deutschen Bevölkerung eingehen.

 

Diejenigen, die der massive Ausbau des autoritären Polizeistaats erwartungsgemäß als Erste trifft, sind selbstverständlich nicht die an umfassender Sicherheit interessierten BürgerInnen, sondern die oben genannten Außenseiterinnen und Außenseiter, zu denen vor allem die ökonomisch unerwünschten Flüchtlinge gehören, die Opfer der staatlichen Instrumente rigoroser Vertreibung und sozialen Ausschlusses werden.

 

Selbst verwaltete Zentren, die offensiv Alternativen zum herrschenden Konsumterror praktizieren und die Ausgrenzungsmechanismen bewusst sabotieren, stellen dabei ein weiteres Ziel der städtischen Vertreibungsmaßnahmen dar.

 

Ein Beispiel für die „Säuberung der Innenstädte“ in Heidelberg ist eben die Räumung des relativ zentral im Stadtteil Bergheim gelegenen Autonomen Zentrums am 01.02.1999. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass trotz Versprechungen seitens der Oberbürgermeisterin Beate Weber (SPD), rechtzeitig für Ersatz zu sorgen, keinerlei Verhandlungsbereitschaft über adäquate Objekte besteht und stattdessen versucht wird, das Problem auszusitzen.

 

All diejenigen, die noch in all zu guter Erinnerung haben, was ihnen mit der Räumung des AZ verloren gegangen ist, will die Stadt nun einlullen mit der vagen Aussicht auf ein sogenanntes „selbstverwaltetes Jugendzentrum“, selbstverständlich unter der Kontrolle des Stadtjugendrings, abhängig von der Gnade der Stadtverwaltung und vor allem: unpolitisch!

 

Um es noch einmal klarzustellen: Bei der Forderung nach dem versprochenen Ersatz für das AZ geht es nicht um „unpolitische Jugendkultur“ und nicht um bessere Freizeitangebote für Jugendliche, wie sich die Damen und Herren im Gemeinderat in ihrer Tanten- und Onkelmentalität das vorstellen. Es geht um ein linkes politisches und kulturelles Zentrum, in dem es möglich ist, die allgegenwärtigen kapitalistischen Verwertungslogik zumindest punktuell zu durchbrechen.

 

Antifaschistisch aktiv sein heißt für uns sehr viel mehr als nur gegen Nazis auf die Straße zu gehen. Antifaschistisch aktiv sein heißt für uns auch, eine linksradikale Gesellschaftskritik zu entwickeln und die versteinerten Herrschaftsverhältnisse zum Tanzen zu bringen. Entwickeln können wir dies jedoch nur an Orten, an denen wir uns frei von sozialarbeiterischer Kontrolle, städtischer Einflussnahme und finanzieller Abhängigkeit in größeren Gruppen treffen, austauschen und zu Aktionen verabreden können.

 

Lasst uns der Stadt und dem herrschenden System zeigen, dass wir die fortschreitende Beschneidung elementarer Rechte und die damit einhergehende Verschärfung von staatlicher Repression und gesellschaftlicher Überwachung nicht kampflos hinnehmen werden!

 

Für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg!

 

 

AIHD im Mai 2001