Grußwort der AIHD (Antifaschistische Initiative Heidelberg)
auf der Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus 2003

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

wie in jedem Jahr kommen wir an diesem 1. November zusammen, um unserer von Nationalsozialisten ermordeten Genossinnen und Genossen zu gedenken. Auf der „Höhe der Zeit“ ist das nicht. Im vergangenen Jahr ist in unserem Land zwar viel und häufig an die Jahre 1933 bis 1945 erinnert worden – allerdings auf eine sehr andere Art: Der Untergang der Wilhelm Gustloff, die Bombenteppiche über Dresden, Hamburg und Pforzheim, die Benes-Dekrete, die unschuldig verfolgte und stets missverstandene Nazi-Filmerin Leni Riefenstahl: Das waren zumeist die Themen, die die Deutschen beschäftigten, wenn sie an die Zeit des Nationalsozialismus zurückdachten. Selbst der Jahrestag des Sieges der Roten Armee bei Stalingrad diente hierzulande vor allem dazu, eine ganz neue Opfergruppe des Zweiten Weltkriegs auszumachen: die Deutschen. Selbst aus den Reihen der Friedensbewegung war des Öfteren zu hören, niemand könne die Leiden der irakischen Bevölkerung besser nachfühlen als gerade die Deutschen, die noch in schmerzlicher Erinnerung hätten, was ein Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung bedeute ...
Fast sechzig Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus leben nur noch wenige Zeitzeugen. Die Täter sind zu alt, um noch zur Rechenschaft gezogen werden zu können, und die letzten Opfer können froh sein, wenn sie in ihren letzten Lebensjahren mit Almosen aus dem Entschädigungsfonds bedacht werden.
Wenn wir an diesen Gräbern hier stehen, gedenken wir nicht nur der Opfer des deutschen Faschismus. Die hier Bestatteten haben sich nicht damit abgefunden, Opfer zu sein. Sie waren bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen für den Kampf gegen den Faschismus, den sie – und auch das soll hier ausgesprochen werden – als besonders grausamen Ausdruck des Kapitalismus ansahen, in dem der Mensch nichts weiter ist als eine Ware.
„Den Opfern von Krieg und Gewalt“ ist als Inschrift der nationalsozialistischen Gedenkstätte des Ehrenfriedhofs beigefügt worden. Dieser entpolitisierende Zusatz ist der Stadt Heidelberg Legitimation genug dort jedes Jahr aufs Neue mit militärischem Zeremoniell eine Gedenkveranstaltung abzuhalten. Kein Wunder, dass der Ehrenfriedhof von Jahr zu Jahr mehr zur Pilgerstätte für Rechtsextreme wird.
Wenn wir hier auf dem Bergfriedhof unsere Gedenkfeier abhalten, dann beharren wir damit auch auf einem grundlegenden Unterschied zwischen Tätern und Opfern. Unser Gedenken ist parteilich. Und wir werden uns auch weiterhin wehren, wenn die Akteure des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs mit ihren Opfern gleichgesetzt werden.
Die Erinnerung an unsere ermordeten Genossinnen und Genossen ist uns zugleich Bekenntnis zu ihren Zielen, welche die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald im Mai 1945 formuliert haben:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren Gemordeten und ihren Angehörigen schuldig.“

AIHD, 01.11.2003