Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen,

wie in jedem Jahr am 1. November kommen wir hier – auf Einladung des DGB und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - an die Gräber derer, die von den Nationalsozialisten für ihren Mut zum Widerstand umgebracht wurden. Und wie in jedem Jahr ist unser Gedenken ein Gedenken von unten.
Weder Stadtoberhäupter noch GemeinderätInnen haben jemals versucht, diese Veranstaltung zu vereinnahmen. Ich erinnere mich an ein einziges Jahr, in dem ein grüner Bürgermeister – es handelte sich um Herrn Erichson – seine Zusage gab, hier auf dem Bergfriedhof sprechen zu wollen. Er hat es sich kurzfristig anders überlegt und abgesagt. Auch die Verlegung der ersten Stolpersteine für die Menschen, die von den Nazis in Heidelberg vertrieben und ermordet wurden, musste in einer langen Auseinandersetzung gegen die Stadtoberen durchgesetzt werden. Auch wenn das viele enttäuschen mag - das ist konsequent und gut so. Der Staat hat hier nichts verloren, wo wir um unsere ermordeten Genossinnen und Genossen trauern und an sie erinnern.
(...)
Ich möchte an dieser Stelle dem DGB und der VVN ganz herzlich dafür danken, dass sie dem staatlichen Distanzierungsdruck sehr gelassen und selbstbewusst widerstanden haben und dass die Antifaschistische Initiative Heidelberg seit vielen Jahren zur Gedenkfeier auf dem Bergfriedhof dazugehört.
In wenigen Wochen wird auf dem Ameisenbuckel über Rohrbach eine sehr andere Gedenkveranstaltung mit militärischem Zeremoniell stattfinden. Auch in diesem November ruft Eckart Würzner – Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg und Alter Herr des Corps Suevia - zum sogenannten Volkstrauertag dazu auf, die von den Nazis errichtete Gedenkstätte des „Ehrenfriedhofs“ zu besuchen. Als Weihestätte für die Toten des Ersten Weltkriegs geplant (die Namen der jüdischen Gefallenen hatte man zuvor diskret aus den Listen getilgt) hatte er schon bald neue für das deutsche Vaterland gefallene Tote zu beherbergen: die im Vernichtungskrieg der Nazis gefallenen Angehörigen von Wehrmacht und SS. Schon damals bereitete die Mystifizierung der vergangenen Schlächterei ideologisch die kommenden Kriege vor.
Im vergangenen Jahr sind AntifaschistInnen, die auf Tafeln an die tatsächlichen Opfer der deutschen Raub- und Vernichtungskriege erinnerten, von der Polizei mit Gewalt an der Teilnahme gehindert worden. Die Erinnerung an die ermordeten Saboteurinnen und Saboteure, an die Wehrkraftzersetzer und an die von der Nazi-Wehrmacht ermordeten Jüdinnen und Juden wurde von Oberbürgermeister Würzner als „Störung“ des städtischen Gedenktages bezeichnet. Dass wir uns in jedem Jahr hier auf dem Bergfriedhof versammeln, ist gut und wichtig. Wir sollten aber auch dafür sorgen, dass wir auch dort an die Opfer von Faschismus und Krieg erinnern, wo diese Erinnerung unerwünscht ist. Die „Initiative Heidelberger Stolpersteine“ ist ein Anfang, der Mut macht. Die Erinnerung an die Opfer von Wehrmacht und Nazi-Justiz beim städtischen Heldengedenken auf dem Ehrenfriedhof ist ein weiterer Schritt, der Mut erfordert, aber auch vielen Menschen Mut machen könnte.“
 

AIHD, November 2010