Offener Brief der
Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD)
als Reaktion auf die Pressemitteilung des SPD-Kreisverbandes Vorderpfalz
vom 2. Februar 2009
 
 

An den SPD-Kreisverband Vorderpfalz,
an Doris Barnett, MdB,
an Günther Ramsauer, MdL
 

Mit einigem Erstauen haben wir die Pressemitteilung des SPD-Kreisverbandes Vorderpfalz „Zur Position der SPD gegen Rechts“ vom 2. Februar 2009 zur Kenntnis genommen.
In diesem Pamphlet nimmt die SPD direkten Bezug auf die Demonstration des „Bündnis Ladenschluss Ludwigshafen“ vom 17. Januar 2009.

Zur Klarstellung vorneweg:
Die SPD, weder als Stadt- noch als Kreis- oder gar Landesverband, war zu keiner Zeit Mitglied im Bündnis oder gar Unterstützerin der Demonstration oder der Aktionen des Bündnisses.

Zur Pressemitteilung im Einzelnen:
Die SPD nimmt für sich in Anspruch „keine Nachhilfe in der Auseinandersetzung mit Rechtsradikalismus“ zu brauchen. Das ergäbe sich aus der Geschichte der SPD.
Wir sehen das etwas anders. Nachhilfe wäre durchaus angebracht.

War es nicht der SPD-Reichswehrminister Gustav Noske, der im Jahre 1919 von reaktionären Reichswehr- und Freikorps-Verbänden zahlreiche KommunistInnen und SozialistInnen, darunter Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, u.a. in Berlin und München brutal ermorden ließ?
War es nicht ein SPD-Polizeipräsident (Karl Friedrich Zörgiebel), der im Jahre 1929 die Maidemonstrationen in Berlin blutig niederschlagen ließ? Das Ergebnis des so genannten Blutmai: 33 tote und 198 verletzte ArbeiterInnen. 1228 Menschen wurden von Zörgiebels Polizei verhaftet.
War es nicht der Parteivorstand der SPD, der im Jahre 1932 den Mitgliedern der zweiten großen ArbeiterInnenpartei der untergehenden Weimarer Republik per „Unvereinbarkeitsbeschluss“ verbot, gemeinsam mit der KPD und parteilosen AntifaschistInnen in der „Antifaschistischen Aktion“ mitzuarbeiten?
Sicher, zahlreiche SPD-Mitglieder haben sich am antifaschistischen Kampf gegen den Nationalsozialismus beteiligt – auch zusammen mit KPD-Mitgliedern und Parteilosen. Viele wurden verhaftet, in Konzentrationslager gesperrt und von den Nazis ermordet.
Aber gerade aus den eklatanten Fehlern der beiden großen ArbeiterInnenparteien SPD und KPD in den Jahren 1932/33, die nicht dazu in der Lage waren, einen gemeinsamen antifaschistischen Kampf mit allen Mitteln auf die Beine zu stellen, sollten auf Seiten der heutigen SPD die entsprechenden Lehren gezogen werden.

Wir glauben nicht, dass die Ludwigshafener SPD die alleinige Definitionsmacht besitzt und „das richtige Vorgehen“ gegen die rechte Szene definieren kann, hat sie doch von dem Ausmaß der Situation - gerade im Stadtteil Ludwigshafen-Süd – erst durch die „gewaltbereiten Schwarzvermummten“ der Antifa-Gruppen erfahren. Ohne die umfassende Recherchearbeit von AntifaschistInnen müssten die SPD und andere nach wie vor mit den unzulänglichen, schlecht dokumentierten und verharmlosenden Informationen des Verfassungsschutzes arbeiten.
Die SPD selbst hat seit Jahren in Ludwigshafen und der Vorderpfalz bewiesen, dass sie überhaupt nicht in der Lage oder willens ist, konsequent gegen rechte Strukturen vorzugehen.
Wie sonst könnte es sein, dass in Grünstadt-Kirchheim immer noch ein Nazi-Zentrum existiert, in dem regelmäßig Veranstaltungen und Konzerte stattfinden?
Wie sonst könnte es sein, dass ein Nazi wie Malte Redeker ungestört seit Jahren in Ludwigshafen seinen dreckigen Geschäften nachgehen kann?
Wie sonst könnte es sein, dass der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz einer der aktivsten Landesverbände der NPD im Westen der BRD ist?
Wie sonst könnte es sein, dass der SPD-Innenminister Bruch mit Hilfe seiner Polizeikräfte AntifaschistInnen in Neustadt 2008 daran hindert, sich Nazis mit aller Kraft entgegenzustellen?

Was erlaubt sich die SPD eigentlich, mit der Polizei Gespräche über eine Demonstration zu führen, an deren Organisation und Durchführung sie nicht im Geringsten beteiligt ist?
Das schlägt dem Fass den Boden aus …
Die SPD hätte sich ja gerne am „Bündnis Ladenschluss“ beteiligen können, aber dazu war diese ach so antifaschistische Partei nicht in der Lage. Die SPD Ludwigshafen dazu: Eine Demonstration gegen Nazi-Strukturen, die von einem breiten Bündnis (von ihr zu „gewaltbereiten Schwarzvermummten“ umgedeutet) geplant wurde, „kann nicht die unsere sein!“
Stattdessen halten MdBs und MdLs einen netten Plausch mit der Polizei und bestimmen gemeinsam das Vorgehen. Dass die SPD dabei den Auflagenkatalog der Polizei, mit dem Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht mit Füßen getreten werden, als „maßvoll“ kommentieren wir an dieser Stelle nicht.

Wir hatten gehofft, auch die SPD – in ihrer antifaschistischen Tradition – als Mitglied im „Bündnis Ladenschluss“ begrüßen zu können. Andere Gruppen und Organisationen haben es geschafft, sich über inhaltliche Grenzen hinweg zusammenzufinden. Die SPD ist dazu offensichtlich nicht in der Lage, da sie es für wichtiger erachtet, das Fass mit der Gewalt aufzumachen und damit zu versuchen, ein Bündnis zu spalten, statt sich eindeutig und konsequent gegen die Nazis zu positionieren und mitzukämpfen. Es ist unglaublich und bezeichnend für das innerparteiliche Demokratieverständnis, auf welche Weise die SPD ihre eigene Jugendorganisation – mithin ihre aktivsten Mitglieder – brüskiert und beschimpft: Immerhin sind die Jusos Ludwigshafen und der Jusos-Landesverband Rheinland-Pfalz Teil des antifaschistischen „Bündnis Ladenschluss“; sie haben auf der Demonstration am 17. Januar in Ludwigshafen einen Redebeitrag gehalten und scheinen offensichtlich keine Probleme damit zu haben, zusammen mit „gewaltbereiten Schwarzvermummten“ aktiv zu werden gegen nazistische Umtriebe.

Die Pressemitteilung der SPD ist hier zu lesen unter.
 

AIHD, 6. Februar 2009