Anmerkungen zur Veranstaltung "Fear of a Kanak Planet"
zu HipHop und Nationalismus/Rassismus

Sicherlich haben sich Einige hier im Raum gefragt, warum sich antifaschistische Gruppen [AIHD und aak] mit dem Thema Musik und in diesem Fall mit HipHop beschäftigen, einer Musikrichtung, bei der Übereinstimmungen mit neofaschistischen Ideologien kaum vermutet werden.

Zunächst einmal: Die heutige Veranstaltung „Fear of a Kanak Planet - HipHop zwischen Weltkultur und Nazirap“ ist Teil der antifaschistischen Kul-Tour, einer Veranstaltungsreihe im Rhein-Neckar-Raum und an der Bergstraße. Das Ziel der antifaschistischen Kul-Tour ist, einen Einblick in linke, selbstverwaltete Kultur zu geben und dabei auch die Mythen und Prinzipien vorherrschender „Leitkultur“ zu demontieren, d. h. deren diskriminierende, nationalistische und rassistische Struktur an Beispielen deutlich zu machen.

Bereits in den 80er Jahren gab es von Seiten der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD) und den Jungen Nationaldemokraten (JN) massive Versuche, durch so genannte „nationale Rockmusik“ neonazistische Inhalte zu verbreiten und neue Anhänger auf musikalischem Wege zu rekrutieren.
In Folge von Alain de Benoist, dem französischen Chefideologen der nationalrevolutionären „Nouvelle Droite“, wurde diese Strategie perfektioniert und (von unterschiedlichen neofaschistischen Spektren) ausgeweitet. Mit dieser Strategie operiert auch der weltweit vernetzte, in der BRD mittlerweile verbotene Blood & Honour-Zusammenhang, dessen Bands hierzulande plattesten Deutsch-Punk kopieren.
Zwischenzeitlich gibt es eine kaum noch zu überschauende Angebotspalette an rechtsextremer, Gewalt verherrlichender und rassistischer Musik. Diese Palette beschränkt sich dabei keineswegs auf so genannte Nazi-Skin-Musik; vielmehr werden die unterschiedlichsten Musikrichtungen berücksichtigt und damit fast jeder „nationale“ Musikgeschmack bedient. Es gibt so genannte „nationale Liedermacher“, wie z. B. Frank Rennicke oder dessen weibliches Pendant Annett Moeck. In der Dark-Wave- und Gruft-Szene tummeln sich auch NS-Verherrlicher wie z. B. Josef Klumb, Sänger bei Von Thronstahl und Forthcoming Fire. Selbst in der Techno-Szene werden mittlerweile nationalistische und neofaschistische Tendenzen erkennbar.
Mittels Musik versuchen die Neonazis zum Einen, junge Menschen zu erreichen und zu politisieren und zum Anderen, „nationale Identität“ zu stiften. Beispiele hierfür wären die vielen Auftritte von Frank Rennicke auch auf diversen Demonstrationen oder das so genannte „NPD-Friedensfest“ in Ramstein, bei dem eine Vielzahl international bekannter Neonazi-Bands spielte.
Und schließlich finanzieren sich Teile der rechten Szene nicht nur über die vom „Vater Staat“ bezahlten V-Mann-Gehälter, sondern auch über den Vertrieb von CDs, Platten, Fan-Artikeln etc.
Angesichts dieser elementaren Bedeutung von Musik für die rechte Szene und der Ausdifferenzierung in verschiedene Genres stellt sich aus unserer Perspektive die Frage, ob und wie sich eine Musikrichtung wie HipHop gegen eine Unterwanderung von Rechts wehren kann.
Erste Anzeichen für ein Interesse an HipHop aus Neonazi-Kreisen gab es ja bereits schon, wie diverse Diskussionen im Internet andeuten. Dabei diskutierte zumindest auch ein Neonazi aus Heidelberg mit.
Andererseits bestehen zwischen Teilen der HipHop-Community und der Linken immer wieder inhaltliche Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte. Einige HipHop-InterpretInnen und -Projekte beteiligen sich an antirassistischen und antifaschistischen Aktionen bzw. organisieren selbst solche.
So sind die bekanntesten Beispiele für politischen HipHop die Projekte Brothers und Sisters Keepers, bei denen KünstlerInnen mit migrantischem Hintergrund antifaschistisch aktiv werden und damit die ihnen zugeschriebene Opferrolle verlassen. Es kommt zu gemeinsamen Aktionen wie z. B. „Beats against fascism“, das Konzert gegen Abschiebungen letzten Sommer in Frankfurt oder - um ein lokales Beispiel zu nennen - die Beteiligung von Toni L. und den Stieber Twins an den Aktionen gegen den Neonazi-Aufmarsch am 27.10.01 in Heidelberg.
Weitere Gemeinsamkeiten ergeben sich z. B. auch aus der städtischen Vertreibungspolitik (die z. B. innerhalb der Kampagne gegen Innere Sicherheit von der AIHD thematisiert worden war), denn neben der Vertreibung von Obdachlosen, Punks etc. sind auch Graffiti-SprayerInnen von einem erhöhten Verfolgungsdruck der Ermittlungsbehörden betroffen. Auch hier gibt es in einigen Städten gemeinsame Kampagnen dagegen.
Ein weiteres Beispiel wäre der Zusammenschluss von Kanak Attak, einer Gruppe, in der KünstlerInnen (u. a. auch aus der HipHop-Szene), Intellektuelle, SchriftstellerInnen und andere Menschen „jenseits zugeschriebener oder mit in die Wiege gelegter Identitäten“ (Kanak Attak-Manifest) politisch zusammenarbeiten. Zudem verortet sich Kanak Attak auch explizit innerhalb der Linken.
In der deutschen Öffentlichkeit werden MigrantInnen in der Regel nicht als politisch handelnde Subjekte wahrgenommen, sondern entweder als Bedrohung oder kulturelle bzw. ökonomische Bereicherung konstruiert. Diese Wahrnehmung wird u.a. von Kanak Attak in Frage gestellt.
Auch in der HipHop-Szene wird der migrantische Alltag in der rassistischen BRD immer wieder thematisiert. Bekanntestes Beispiel hierfür ist Advanced Chemistry aus Heidelberg mit ihrem Track „Fremd im eigenen Land“, der aber in der radikalen Linken trotzdem äußerst kontrovers diskutiert wurde und wird.
HipHop bot bisher marginalisierten Gruppen die Möglichkeit, als handelnde Akteure sichtbar zu werden.
Zudem ermöglichte HipHop prinzipiell eine Identitätspolitik jenseits nationaler Zugehörigkeiten oder auch sozialer Festlegungen.
Über die Fallen solch einer Identitätspolitik muss aber auch in der HipHop-Szene noch diskutiert werden (z. B. über den Aspekt der Ersetzung nationaler Identitätspolitik durch religiöse, „ethnische“ oder sexistische).
Ein krasses Beispiel für Sexismus und Homophobie im HipHop ist (neben Eminem) sicherlich der Berliner Rapper Kool Savas. Zudem werden Frauen im HipHop oft als passives, dekorierendes „Beiwerk“, also auf die bloße Zurschaustellung ihrer „weiblichen Körpermerkmale“ reduzierte (Sexual-) Objekte („männ-lichen“ Begehrens) dargestellt.
Auch bei den Brothers und Sisters Keepers gibt es geschlechtsspezifische Rollenverteilungen, indem von den Männern zuerst der aggressive Part übernommen wird und die Frauen anschließend mit Liebe und Verstand die Hand reichen.
Damit verbunden ist sicherlich auch die Frage, warum so wenig Frauen in der HipHop-Szene aktiv sind.
Welche Entwicklungsrichtung HipHop letztendlich einschlagen wird, entscheidet Ihr!

„wir nehmen das, was uns gehört“ (Kanak Attak)
„Ihr nehmt das, was euch gehört!“