Neofaschistische Aktivitäten in Heidelberg

Glauben wir den offiziellen Stellen - als da wären Polizeidirektion Heidelberg und Stadtverwaltung -, so gibt es in Heidelberg kein Problem mit Neofaschisten. Die 50 „polizeibekannten“ Nazi-Skins seien unter Kontrolle, so der Chef der Polizeidirektion Fuchs, dem die „gewaltbereiten Autonomen“ wesentlich mehr Sorgen bereiten.
Schaut mensch sich in Heidelberg einmal genauer um und beleuchtet die Fakten rechtsextremen Treibens in der Stadt am Neckar, so sieht das etwas anders aus.
Gerade in den vergangenen Monaten scheint sich in Heidelberg und der näheren Umgebung wieder so etwas wie eine „rechte Szene“ zu formieren.
Bis jetzt scheiterten größere Aufmärsche und Aktionen von Nazis in Heidelberg immer am antifaschistischen Widerstand in der Stadt, der sich noch nie auf bloße Lippenbekenntnisse beschränkte. Straßennazis wurden und werden oftmals durch antifaschistische Selbsthilfe in ihre Schranken verwiesen.
Den letzten Versuch eines Aufmarsches starteten die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) mit Unterstützung „freier Nationalisten“ unter anderem aus Karlsruhe im Herbst vergangenen Jahres. Nachdem bereits eine geplante Demonstration „freier Nationalisten“ aus dem Umfeld der „Karlsruher Kameradschaft“ zum 100. Todestag Bismarcks im Juli 1998 ein Versuch blieb, hängte sich an die Mobilisierung für die 2001er Demonstration auch das Kameradschaftsspektrum an.
Bereits seit Mitte 2001 waren in Heidelberg verstärkte Aktivitäten von Nazi-AktivistInnen festzustellen. Im Juni diesen Jahres wurden an mehreren Kunstobjekten und Müllcontainern bei der Neckarwiese rassistische Parolen gesprüht.
Im gleichen Monat tauchten „Anti-Antifa“-Flugblätter in mehreren Stadtteilen auf, die gegen das Autonome Zentrum (AZ) und die Antifaschistische Initiative (AIHD) gerichtet waren. Die MacherInnen dieses Flugblattes brachten mit Foto und vollem Namen zwei AZ-Aktivisten in direkte Verbindung mit der AIHD.
Kurz darauf, im August, wurden vom Dach des Kaufhauses „Kaufhof“ in der FußgängerInnenzone Rudolf-Hess-Flugzettel auf die Hauptstraße geworfen, die den Hitler-Stellvertreter verherrlichten. Die Flugzettel wurden unter anderem über die „Karlsruher Kameradschaft“ vertrieben.

Ende September 2001 wurden dann in der Altstadt Aufkleber der Revisionisten-Organisation VHO („Vrij Historisch Onderzoek“, Belgien) verklebt, die das Tor des Vernichtungslagers Auschwitz zeigten und mit „Internet macht frei“ auf die VHO-Homepage hinwiesen. Der Hauptaktivist der VHO, Germar Scheerer – alias Germar Rudolf, alias Ernst Gauss – referierte bereits bei der „Europaburschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg“ (kurz EBA). Sein Hauptthema: die Leugnung des Holocaust mit pseudowissenschaftlichen Gutachten. Rudolf war vor der BRD-Justiz nach Großbritannien geflohen, um sich einer Verurteilung zu entziehen. Behilflich war ihm bei der Flucht der inzwischen verstorbene Altnazi Otto Ernst Remer (aus dem „Exil“ in Spanien).

Im Vorfeld einer Demonstration des Kameradschaftsspektrums am 15. Juni 2002 in Karlsruhe wurden im Neuenheimer Feld und im Stadtteil Bergheim Mobilisierungsplakate von Nazis geklebt.
Der „JN-Stützpunkt Rhein-Neckar“ führte zusammen mit dem „JN-Stützpunkt Karlsruhe-Land“ im Raum Heidelberg ein konspiratives Seminar mit Jürgen Schwab aus Aschaffenburg durch. Die Veranstaltung am 13. Juli 2002 bot dem ehemaligen Mitglied des 1993 verbotenen „Nationalen Blocks“ (NB) und Redakteur des NPD-Organs „Deutsche Stimme“ ein Forum.

Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg
An dieser Stelle gehen wir näher auf die EBA bzw. deren Nachfolgeorganisation „Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg“ (BAH) ein. Die EBA kann als eine Art Bindeglied zwischen dem Spektrum der Burschenschaften und organisierten Nazis gelten. Die 1946 unter anderem von NSDAP-Seilschaften gegründete EBA verlagerte 1994 ihren Schwerpunkt nach Heidelberg. Seit der Neugründung im Jahre 1999 firmiert die EBA unter dem Namen „Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg“ (BAH).
Prominente Mitglieder seit 1974 sind unter anderem Manfred Roeder (NPD, verurteilter Rechtsterrorist), Gerd Zikeli (Schweizer Revisionist, „Nationale Basis Schweiz“), Otto Ernst Remer und Ulrich Rudel - zwei bereits verstorbene Altnazis und Ikonen der Nazi-Szene von REP, DVU über NPD bis zu den Kameradschaften. Als eine Art Ehrenmitglied der heutigen BAH wird der Nazi-Liedermacher Frank Rennicke (NPD, „Wiking Jugend“, Kameradschaften) geführt.
Veranstaltungen führte die EBA/BAH unter anderem mit Peter Dehoust (Mitherausgeber „Nation und Europa“, Bindeglied zwischen Alt- und Neonazis), Gerd Zikeli und Germar Rudolf (s.o.) durch.
Zu der Veranstaltung mit Gerd Zikeli im Frühjahr 2001 mobilisierte unter anderem das „Nationale Infotelefon Karlsruhe“ (NIT).
Auf einem so genannten Herbsttreffen im Oktober 1999 waren als Referenten die verurteilten Rechtsterroristen Peter Naumann und Manfred Roeder anwesend. Im Juni 2001 fand eine BAH-Veranstaltung mit dem ehemaligen NPD-Vorsitzenden und notorischen Auschwitz-Leugner Günter Deckert statt. Der o.g. Jammerbarde Frank Rennicke durfte im am 3. November 2001 bei einem Liederabend der BAH auftreten.
Der Kopf der BAH, Michael Dangel, Steuerberater in Heilbronn, ist gleichzeitig der Hauptaktivist. Über eine Internetpräsenz macht die BAH auf ihre Veranstaltungen und Inhalte aufmerksam.
So fand z.B. am 19. Januar 2002 das 56. Stiftungsfest der EBA/BAH in Heppenheim statt. Drei Monate später, am 13. April, referierte – ebenfalls in Heppenheim – ein Reinhard H. auf einer Veranstaltung der BAH zum Thema „Finnland und das Deutsche Reich 1914 bis 1945“. Im Oktober war "Kurt Eggers" (siehe unten) Thema einer Redeveranstaltung der BAH in Heppenheim.  Eggers war SS-Scherge und ist Kultfigur rechtsextremer Parteien und Gruppen von REP über NPD bis hin zu den Kameradschaften. Auf den Veranstaltungen in einem Heppenheimer Restaurant, die beide mäßig besucht waren, tummelten sich auch Mitglieder der „Kameradschaft Bergstraße“, auf die im Folgenden noch eingegangen wird.
Für Januar 2003 kündigt die BAH bereits das 57. Stiftungsfest an. Referent soll der Nazi-Theoretiker Jürgen Schwab sein (siehe oben).

Kameradschaft Bergstraße
Die „Kameradschaft Bergstraße“, vormals „Nationaler Widerstand Bergstraße“, ist im Spektrum der „freien Nationalisten“ zu verorten. Ihre Mitglieder nehmen an fast allen größeren Aktionen des faschistischen Spektrums der weiteren Region teil. Selbst auf Demonstrationen mit bundesweiter Bedeutung ist die Kameradschaft meist anwesend. Ihre Aktivitäten dokumentiert die Gruppe auf einer eigenen „Heimatseite“ im Internet. Als Domain-Inhaber ist René Rodriguez-Teufer eingetragen, ein Nazi-Aktivist, der bereits seit Anfang der 1990er Jahre in der Rhein-Neckar-Region aktiv ist. Er war 1992 bis 1994 Mitglied der regionalen Nazi-Gruppe ANK („Aktionsfront Nationaler Kameraden“) um Manfred Huck und den Nazi-Skin Christian Hehl. Teufer bewegt sich im Umfeld der NPD-Jugendorganisation JN wie auch der „freien Kameradschaften“. Zusammen mit dem JN-Kader Alexander Feyen organisierte Teufer den „Wiking-Tonträger-Versand“ in Hemsbach, später den „Schwarze-Sonne-Versand“ in Augsburg. Es ist aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und seiner weit reichenden Kontakte sehr wahrscheinlich, dass er einer der Köpfe – wenn nicht der Kopf - der „Kameradschaft Bergstraße“ ist.
An Aktivitäten reduziert sich die Kameradschaft auf den Besuch von Aufmärschen und Veranstaltungen in der Region (auch bundesweit), die ständige Aktualisierung ihrer Internetpräsenz sowie die Durchführung kleinerer Aktionen ohne vorherige Ankündigungen. So fand z.B. am 8. Mai 2002 auf dem abgelegenen Heidelberger „Ehrenfriedhof“ eine „Gedenkfeier“ mit „Freien Nationalisten aus dem Rhein-Neckar-Raum“ und der „Karlsruher Kameradschaft“ statt. Die 26 schwarz uniformierten Nazis aus Nordbaden und der Vorderpfalz legen Kränze für die „gefallenen Helden“ nieder. Die Polizei greift nicht entscheidend ein und kontrolliert lediglich Fahrzeuge und Personalien.
Neben den guten Kontakten zur "Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg" und zur "Karlsruher Kameradschaft" bestehen Verbindungen zum "Aktionsbüro Südwest" und verscheidenen Pfälzer Neonazi-Zusammenschlüssen wie zum Beispiel der "Kameradschaft VG Heßheim".

Freie Strukturen Rhein-Neckar
Verschiedene Indizien sprechen dafür, dass die „Kameradschaft Bergstraße“ eng mit den „Freien Nationalisten Rhein-Neckar“ zusammenarbeitet, wenn nicht sogar identisch ist.
Diese Bezeichnung tauchte zum ersten Mal im Januar 2002 auf, als „freie Nationalisten“ im Raum Heidelberg eine Gedenkveranstaltung für Kurt Eggers durchführten. Referenten waren Ralph Tegethoff (FAP) und Sepp Biber (stellv. NPD-Landesvorsitzender, Mitglied der inzw. verbotenen „Wiking Jugend“).
Seit Monaten erscheinen „Freie Strukturen Rhein-Neckar“ im Gästebuch des „Karlsruher Netzwerks“, das ist die Homepage der „Karlsruher Kameradschaft“ bzw. des „Nationalen Infotelefons Karlsruhe“ (NIT). Dorthin schicken die Rhein-Neckar-Nazis pamphletartige Statements, die vor pubertärer, sexistischer Fäkalsprache nur so strotzen. Unter anderem bezogen sich die „freien Strukturen“ in ihren Kommentaren auf das „Anti-Antifa“-Flugblatt vom Juli 2001 und direkt auf die AIHD – so lautet z.B. die Kontakt-E-Mail-Adresse „scheißAIHD@...“.
Dass diese „freien Nationalisten“ versuchen „Anti-Antifa“-Strukturen gegen antifaschistische und fortschrittliche Personen zu schaffen, dürfte nun selbst der Polizei seit September 2002 klar sein. Auf einer eigens eingerichteten Homepage, die über die USA geschaltet ist, „outen“ die Nazis die OrganisatorInnen einer Ausstellung „Neofaschismus in der BRD“ in Eppelheim. Die engagierten GewerkschafterInnen und AntifaschistInnen werden mit voller Adresse und zum Teil mit Foto abgebildet. Auf der Startseite dieser „Anti-Antifa“-Seite distanzieren sich die Internet-Nazis von Gewaltaktionen gegen diese Personen – seit den Nazi-Todeslisten der letzten Jahre ist aber klar, was von solchen Distanzierungen zu halten ist.

Gerade die Entwicklung der letzten eineinhalb Jahre muss alle fortschrittlichen und antifaschistischen Gruppen und Einzelpersonen zu erhöhter Wachsamkeit ermahnen, damit es den Nazis nicht gelingt in einem schleichenden, relativ verborgenen Prozess die Straße bzw. die Öffentlichkeit für sich zu erobern.
Wir werden auch weiterhin mit allen gebotenen Mitteln dafür Sorge tragen, dass es den Faschisten in Heidelberg nicht gelingt, einen Fuß auf die Straße zu bekommen.

Für Informationen und Hinweise über neofaschistische Aktivitäten in Heidelberg und der näheren Umgebung sind wir immer sehr dankbar. Beobachtungen können an unsere Post- bzw. E-Mail-Adresse gesandt werden.

Kein Fußbreit den Faschisten!
Die Straße gehört uns – in Heidelberg und anderswo!