Der rechte Spuk war schnell vorüber

Erfolgreich verhinderten Heidelberger NPD-Gegner am Samstag einen Aufmarsch der Rechtsextremen durch Bergheim
Obwohl es am Ende doch noch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen linken Demonstranten und der Polizei gab, können die NPD-Gegner und die Sicherheitskräfte stolz auf dich dein: Gemeinsam schafften sie es, dass die rechtsradikalen „Jungen Nationaldemokraten“ am Samstag nicht durch Bergheim marschierten und bereits nach 45 Minuten ihre Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz auflösten.
Die „turn left“- Kundgebung war als kleine Demonstration mit rund 500 Teilnehmern angemeldet, doch schon zu Beginn stellte sich heraus, dass es dabei nicht bleiben würde. Die von den antifaschistischen Gruppen „turn left“ und der Antifaschistischen Initiative Heidelbergs (AIHD) initiierte Kundgebung „Fight Racism“ fand regen Zulauf. Zahlreiche, vor allen junge Heidelberger, die zu der Demonstration der bürgerlichen Kräfte vor die Neue Universität gekommen waren, schlossen sich der bunten Parade an. Sie zogen es vor, in Richtung Bahnhof zu marschieren, wo ab 13 Uhr die rechtsradikalen Jungen Nationaldemokraten erwartet wurden, anstatt jeder Konfrontation aus dem Wege zu gehen und auf dem Uni- Platz weit ab vom Geschehen für ein tolerantes Heidelberg zu demonstrieren. Und so waren es nach Angaben der Polizei 1500 Teilnehmer, die durch die Hauptstraße zogen, mit „guter und entschlossener Stimmung“ und begleitet von Ragga- und HipHop- Musik.
Ursprünglich – so war die Demonstration beim Ordnungsamt angemeldet – sollte die Parade, die um 11.30 Uhr am Uni- Platz startete, von der Hauptstraße über die Bergheimer Straße und die Poststraße zum Parkplatz vor das Bauhaus führen, wo eine Abschlusskundgebung geplant war. Aber bereits während des Marsches durch die Hauptstraße forderten Mädchen mit Flugblättern die demonstrierende Menge zu zivilem Ungehorsam auf. „Diese antirassistische Demo wird am Bauhaus beendet werden. Von dort sind es zu Fuß nur wenige Minuten zum Bahnhof“, stand auf einem kleinen, unauffälligen Zettel: „Zeigt den Faschisten, dass Heidelberg kein ruhiges Pflaster für sie ist! Lasst euch was einfallen!“
Allzu viel Phantasie brauchten die Heidelberger nicht, um zu wissen, was gemeint war. Bereits an der Stadtbücherei bog die überwiegende Zahl der Demonstranten in Richtung Hauptbahnhof ab. Und diesem Umstand ist es zu verdanken, dass die Rechtsradikalen nicht durch Bergheim marschieren durften. Denn nun konnte von Seiten des Heidelberger Ordnungsamtes erklärt werden, dass Zusammenstöße zwischen befeindeten Demonstranten zu befürchten seien, wenn die „Jungen Nationaldemokraten“ sich vom Bahnhof weg bewegen würden. So erteilte Ordnungsamtsleiter Heiner Bernhard den Rechtsextremen die Auflage, ihre Kundgebung vor dem Bahnhofsvorplatz abzuhalten. Der Grund: Die Sicherheitslage sei gefährdet.
Mehrere Hundertschaften der Polizei sicherten das Geschehen rund um den Hauptbahnhof ab. Auf der Höhe der Print Media Academy wurde die Kurfürstenanlage abgeriegelt. So sollte verhindert werden, dass Gegendemonstranten bis zum Hauptbahnhof vordringen. Rund 1400 aufgebrachte NPD-Gegner skandierten „Nazis raus“. Die Parolen waren am Bahnhofseingang noch gut zu hören. Dort waren gegen 13 Uhr bereits rund 100 „Junge Nationaldemokraten“, fast ausnahmslos rechte Skinheads, eingetroffen.
Eingekesselt von der Polizei konnten sich die Rechtsextremen keine 50 Meter vom Bahnhofsgebäude fortbewegen, denn ein paar Gegendemonstranten hatten es doch auf den Willy-Brandt-Platz geschafft, und die verfeindeten Gruppen mussten unter allen Umständen voneinander getrennt werden. Lautstark machten sich die Demonstranten bemerkbar: Die NPD-Gegner hatten Trommeln dabei und pfiffen die schwarz. rot. weiße Fahnen schwenkenden Rechtsextremen aus. Die „Jungen Nationaldemokraten“ machten aus ihrer Nähe zur NSDAP keinen Hehl und brüllten aus vollem Hals: „Frei, sozial und national.“
Der Spuk dauerte nicht lange. Frustriert, dass sie nicht marschieren durften, gaben die Rechtsextremen bereits kurz vor 14 Uhr auf. Der Versammlungsleiter blies zum Rückzug nach Rheinland- Pfalz, woher die meisten „Jungen Nationaldemokraten“ stammten. Zwanzig Minuten später saßen die ungebetenen Gäste in ihrem Zug, Heidelberg war wieder eine „nazibefreite Zone“, wie die Veranstalter der Gegendemonstration stolz verkündeten. Die 1400 NPD-Gegner in der Kurfürsten-Anlage wurden über Handy stets über die aktuellen Ereignisse am Hauptbahnhof informiert. Als die gute Nachricht über Megafon verkündet wurde, hallten die Jubelschreie bis auf den Bahnhofsvorplatz.
Die NPD-Gegner konnten also einen schnellen Sieg auf der ganzen Linie verbuchen. Und auch die Polizei war gegen 14.30 Uhr noch sehr zufrieden. Schließlich war es den nach inoffiziellen Angaben rund 1000 Beamten erfolgreich gelungen, die verfeindeten Demonstranten voneinander zu trennen und die rechten Skinheads am Marschieren zu hindern. Einziger Wermutstropfen: Zwei Polizeiautos waren von radikalen Autonomen erheblich beschädigt worden - und die dumme Tat vereinzelter Chaoten war die Ursache, warum es doch noch zu unschönen Szenen kam, obwohl auch die Spontandemo in der Kurfürsten-Anlage bereits von den Veranstaltern für beendet erklärt worden war.
Die Situation eskalierte, als Polizeibeamte den Straftäter wiedererkannten und inmitten der sich auflösenden Kundgebung festnahmen. Empört über die in ihren Augen grundlosen Übergriffe solidarisierten sich Autonome mit dem Festgenommenen, versuchten eine Gefangenenbefreiung. Flaschen, Steine, Radkappen und eine Dachlatte flogen in die Reihen der Polizei. Einige Beamte machten massiv von ihren Schlagstöcken Gebrauch. AIHD – Sprecher reden von einem „willkürlichem Knüppeleinsatz“, dagegen erklärt Polizeisprecher Harald Kurzer, dass die Einsatzkräfte zu dieser Vorgehensweise  genötigt waren. Schließlich hätten sich die Sicherheitskräfte schützen müssen.

Holger Buchwald, RNZ, 29.10.2001