Zerborstene Granit- Stele mahnt zum Frieden

Auf dem Bergfriedhof: Einweihung des neuen Mahnmals bei Gedenkfeier für Opfer des NS- Regimes – „Auch an die Täter erinnern ...“
Die Stele aus schwarzem Granit wirkt wie zerborsten. Eine künstlerische Ausdrucksform, um „Gewalt sichtbar zu machen“, wie der Leiter des Kulturamtes, Hans- Martin Mumm, sagt. Aber es gäbe sicherlich auch andere Interpretationsmöglichkeiten. Bei der Gedenkfeier für die NS- Opfer auf dem Bergfriedhof steht die Einweihung des Mahnmals im Mittelpunkt.
Geschaffen hat es der Bildhauer Günter Baum aus Eppelheim. Im vergangenen Jahr hatte die Stadt zu einem Wettbewerb zur Neugestaltung der Gedenkstätte im südlichen Teil des Friedhofes aufgerufen. Der Eppelheimer erhielt dabei den ersten Preis und damit den Zuschlag. Ergänzt wird die Stele durch eine Tafel, auf der die Namen von achtzehn Frauen und zwei Männern aufgeführt sind, die als Mitglieder einer Widerstandsgruppe in den Jahren 1942 bis 1944 in Stuttgart zum Tode verurteilt worden waren und deren sterbliche Überreste erst im Juli1950 an dieser Stelle bestattet wurden. Zuvor waren sie der Anatomie in Heidelberg zur Verfügung gestellt worden.
Vor Ort gibt es bereits eine ältere Namenstafel, die an siegen Widerstandskämpfer aus dem Elsass erinnert – allesamt Zwangsarbeiter. „Auf unserer Rheinseite gibt’s so was noch nicht“, sagt Robert Bickard, hofft aber, dass die Einweihung des Mahnmals auf dem Bergfriedhof in Heidelberg Vorbildfunktion haben könnte. Der Leiter des Instituts für Sozialgeschichte in Straßburg ist mit einer Delegation angereist. Er spricht davon, dass die Getöteten durch ihr Wirken „unsterblich“ geworden seien.
In einem städtischen Flugblatt ist nachzulesen, was es mit der Erinnerungsstätte für die NS- Opfer auf sich hat. Danach gruppierte der Schriftsetzer Georg Lechleiter im Jahr 1942 besagte Widerstandsgruppe um sich und gab die illegale Zeitung „Der Vorbote“ heraus. Die Verfolgung begann noch im selben Jahr. „Der Heidelberger Schlosser Heinrich Fehrentz wurde wegen Abhörens von Feindsendern hingerichtet ...“, ist da zu lesen. Er war der Onkel von Prof. Dr. Dieter Fehrentz. der die Verfolgten des Nazi- Regimes beziehungsweise den Bund der Antifaschisten vertritt.
Als „Kabarettist, Schauspieler, Gewerkschaftssekretär“ stellt sich Einhart Klucke vor. Neben Brecht- Liedern steht ein Gedicht von Erich Kästner auf dem Programm. Es geht um „Das letzte Kapitel“, das er sich im Jahr 2003 denkt und das bedrückend nah am Geschehen der letzten Wochen liegt. Von Flugzeugen, die rund um den Globus mit Giftgas unterwegs sind, ist da die Rede, von Bombengeschwadern und Millionen Toten, die offenbar nötig sind, um auf Erden endlich Frieden zu schaffen.
 „Wir sollten auch an die Täter erinnern“, sagt Michael Csaszkóczy von der Antifaschistischen Initiative, die seinen Worten nach seit einigen Jahren bei der Gedenkfeier auf dem Bergfriedhof zugegen ist – was wiederum von vielen als „unerträglich“ oder sogar „kriminell“ empfunden worden sei. Dann nennt er Namen von Ärzten und Lehrern, die nach dem Zusammenbruch des NS- Regimes ungehindert Karriere machten. Ein kurzer Rückblick auf die „Gegendemo“ gegen den Aufmarsch der NPD- Jugendorganisation vom vergangenen Wochenende gehört ebenfalls zu seiner Rede. Demnach haben die Linksradikalen die Rechtsradikalen quasi in die Flucht geschlagen. Zur Veranstaltung der Gewerkschaften auf dem Universitätsplatz meint er: „Wenn das die Masse der Demokratie war, könnte einem angst und bange werden.“

Karin Katzenberger- Ruf, RNZ, 02.11.2001