Nicht nachlassen im Einsatz für Gewaltfreiheit
Am Volkstrauertag: Gedenken an die Opfer von Krieg, Terror und Gewaltherrschaft auf dem Ehrenfriedhof

(Von Thomas Seiler)
Eines stellte Bürgermeister Jürgen Beß auf dem Ehrenfriedhof von vorneherein unmissverständlich klar: "Wir gedenken seit vielen Jahren an diesem Ort der Opfer von Krieg, Terror und Gewaltherrschaft in dieser Welt und so soll es auch bleiben, auch wenn es einigen nicht passt!" Der Bürgermeister reagierte damit deutlich auf die Kritik von Vertretern des Autonomen Zentrums vor 14 Tagen während einer Gedenkveranstaltung auf dem Bergfriedhof, wonach die Stadt ihr Gedenken zum Volkstrauertag zu einer "Pilgerstätte für Rechtsextreme" entwickeln lasse, damit "Täter und Opfer" würdige und letztlich "Ringelpiez mit Militaristen und Faschisten" stattfinde.
In einer eindrucksvollen Rede führte Beß solche Unterstellungen ad absurdum. Und gerade die Präsenz seiner Bürgermeisterkollegen Raban von der Malsburg und Eckart Würzner, vieler Stadträte sowie der Abgeordneten Karl A. Lamers und Werner Pfisterer unterstrich die Wertigkeit dieses Treffens. Beß nahm in seinen Ausführungen Wolfgang Borcherts aufrüttelndes Nachkriegsdrama "Draußen vor der Tür" zur Grundlage. Das Schicksal des von Verzweiflung geprägten Protagonisten Beckmann, der ganz anders wieder vom Krieg heimkehrte, als er wegging, bildete für den Bürgermeister dabei die Ausgangslage für einen weiten historischen Bogen.
Der städtische Vertreter erinnerte an die Parallelen zum Ersten Weltkrieg, für den 1919 gegründeten Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge damals Anlass anno 1920 den Volkstrauertag ins Leben zu rufen und damit den Blickwinkel für die Millionen Soldaten zu öffnen, die "als andere" heimkamen, nachdem sie im Gegensatz zu vielen ihrer Kameraden "Kälte, Granatfeuer und Giftgas überlebt hatten". Um ein Vielfaches potenzierte, so Beß, der Zweite Weltkrieg diese Bilanz.
"Hinter den nüchternen Zahlen stehen Menschen und ihre Gefühle, Hoffnungen, Lebenswillen und Lebenspläne", erklärte der Bürgermeister, der diesem Szenario den gesamten Holocaust mit angliederte. "Es bleibt wichtig, an vergangene Kriege und Opfer zu erinnern, gerade weil die persönlichen Erinnerungen verblassen und immer weniger Zeitzeugen unter uns sind", betonte er. Angesichts der von ihm weiter aufgezeigten aktuellen Kriegsherde und Konflikte mahnte Bess zu keiner Stunde "nachzulassen im Einsatz für Frieden, Toleranz und Gewaltfreiheit".
In das Gedenken schloss der Kommunalpolitiker deshalb auch die Opfer des Terrorismus ein. Er baute hier auf internationale Zusammenarbeit, Terrorismus-Ursachen wie Not, Vertreibung, Ausbeutung und fehlende Bildung an der Wurzel zu beseitigen. Beß sah abschließend in der stetigen und von Verantwortung getragenen "Arbeit für den Frieden" die Antwort auf die am Volkstrauertag immer wieder gestellte Thematik. Ein für ihn allerdings dorniger Weg, den übrigens die Dramenfigur Beckmann bei den verzweifelten Anstrengungen, Erlebtes zu bewältigen, nicht zu gehen vermochte.
Die Stadt legte am Ehrenmal ebenso einen Kranz nieder wie der VdK Heidelberg, vertreten durch den Vorsitzenden Adolf Henrich und Kurt Huppmann. Die enge Verbundenheit vergegenwärtigte ferner das Headquarter. In Vertretung des ASG-Kommandeurs Oberst Robert C. Rush gedachte Oberstleutnant Diane M. Vanderpot mit einem Kranzgebinde im Namen der US-Army der Opfer von Kriegen, Gewalt und Unrecht.
Gleiches verfolgten auch die Studentenabordnungen der schlagenden Verbindungen Normannia und Ghibellinia, beide ebenfalls ein Dorn im Auge der im Vorfeld der Veranstaltung demonstrierenden Autonomen. Deren Kundgebung am Eingang des Ehrenfriedhofs mit der Forderung das "Heldengedenken" zu beenden und der "Ehrung der Faschisten" keine Plattform zu bieten, unterlag strengen Auflagen, an die sich die Gruppe, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch während der Feier hielt und deshalb einen Einsatz der anwesenden Polizei nicht notwendig machte.
Weshalb auch, denn die in sich schlüssige Argumentation von Bürgermeister Beß während der gut besuchten Veranstaltung, die die Blechbläser des Heidelberger Jugendsymphonieorchesters musikalisch umrahmten, vermittelte allen Anwesenden sehr ausgewogen den Sinn des Volkstrauertags. Selbst das anfänglich provokante Hüsteln einiger
Autonomer musste konsequenterweise verstummen, denn die Würdigung umschloss die auf dem Ehrenfriedhof liegenden Kriegsgefangenen anderer Länder ebenso wie die Opfer des Faschismus, auf die das Mahnmal auf dem
Bergfriedhof hinweist.

Rhein-Neckar-Zeitung, 17.11.2003