Autonomie im Sinn - die Polizei im Auge

600 Demonstranten, intensiv bewacht von der Polizei, machten sich am Samstag für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg stark

Von Karla Sommer

"Was ist denn hier los" fragt verwundert eine Frau, als sie die starke Polizeipräsenz im weiten Areal um die Stadtbücherei bemerkte.
Eigentlich wollte die Lehrerin aus Mannheim zu einer Demo nach Frankfurt, hatte aber den Römer mit der Römerstraße verwechselt. "Jetzt bleib' ich hier", meinte sie dann angesichts des demonstrativen Anliegens des "Autonomen Zentrums im Exil" für ein selbstverwaltetes Zentrum. Das hatte man vor fünf Jahren auf dem Areal der alten Glockengießerei abgerissen. Jetzt zum Negativ-Jubiläum und der damit verbundenen Tatsache, dass die jungen Leute bis heute auf die Erfüllung ihres Traumes von der "autonomen Umsetzung linker Kultur und Politik" vergeblich gehofft haben, wollte man mit einer Demonstration durch die Innenstadt den Anspruch darauf wieder verdeutlichen.
Rund 600 Demonstranten und noch einmal die geschätzte gleiche Zahl an Polizisten legten daher am frühen Nachmittag den Verkehr an der Stadtbücherei und später am Bismarckplatz lahm. Ringförmig umstellten die mit Sturmhauben, Helmen, Knieschützern, Knüppeln und Schutzschilden "bewaffneten" Beamten schon am Versammlungsort die Demonstranten. Die wurden dann auch akribisch kontrolliert. Da wurden Rucksäcke gefilzt, Taschen ausgeleert, Pferdeschwänze hochgehoben und Schuhe ausgezogen. In den Polizeibussen wurden Personalien aufgenommen, zahlreiche Gegenstände konfisziert Die Fahnenstangen der Transparente sammelte man ein, die Bretter des von den Autonomen angemieteten Planwagens mussten entfernt werden, ebenso die Kanister mit Benzin für den Generator. Einem jungen Mann wurde der Fotoapparat abgenommen, weil er, wie es hieß, damit einen Zivilbeamten fotografiert hatte. Andererseits filmte die Polizei unermüdlich in die Menge.
Nach einem "Puppenspiel", der anhand der Protagonisten "Rote Socke", "Königin Beate" und ihre rechte Hand "Herbilein" die fünfjährige Odyssee des Autonomen Zentrums durch die Amtsstuben des Rathauses persiflierte, setzte sich der Demonstrationszug in Richtung Bismarckplatz in Bewegung. Dort wurde der Ruf nach einem Zentrum noch einmal laut, aber auch der Vorwurf an die Polizei, mit ihrer Kesselstrategie die friedlichen Demonstranten zu kriminalisieren.
Der Zug endete auf dem Kornmarkt. "Keinerlei Vorkommnisse" hieß es dann von Seiten der Polizei. Konkreter wurde der Sprecher der "Autonomen", M. gegenüber der RNZ: "Das martialische Auftreten der Polizei in Kampfmontur und bis zur Unkenntlichkeit vermummt, ließ die Demonstration als Gefangenentransport erscheinen". Seine Mitstreiterin, S., ergänzte und zog dennoch eine positive Bilanz: "Auch wenn der Einsatz überzogen und unser Anliegen nicht zuletzt durch die extreme Einkesselung der Polizei etwas zurückgedrängt wurde, verlief die Demonstration nicht nur friedlich, sondern war auch von einem großen Interesse begleitet."

Rhein-Neckar-Zeitung, 02.02.2004