Rechtsextreme Schulung unter Heidelberger Schloss?
Burschenschaft Normannia sagt umstrittene Veranstaltung wieder ab

Von Thorsten Mense

Für kommenden Samstag hatte die Burschenschaft Normannia zu den „ l. Heidelberger Gesprächen unter dem Schloss" eingeladen, mit anschließender Schlossbeleuchtungsparty im Garten ihres Hauses direkt am Schlossgarten. Bei dem ganztägigen Seminar werden mehrere Redner das Thema „Deutschland in der Globalisierungsfalle !?" erörtern, hieß es in der Einladung. Was den Anschein einer offiziellen Veranstaltung der Stadt Heidelberg hatte, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als ein Treffen bekannter Persönlichkeiten der rechtsextremen Szene.
Recht schnell hatte sich gegen die Burschenschaft-Veranstaltung studentischer Protest gebildet: So hat die Antifaschistische Initiative für den Tag der „Heidelberger Gespräche" eine Gegenkundgebung angemeldet -und auch die Fachschaftskonferenz der Universität unterstützt den Protest.
Ein Sprecher der Burschenschaft Normannia erklärte auf Anfrage gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung, man habe die Veranstaltung schon vor 14 Tagen „aus organisatorischen Gründen" abgesagt.
Schon des Öfteren ist die Burschenschaft Normannia in letzter Zeit durch umstrittene Aktionen und Vorträge aufgefallen. So verteilten Mitglieder Ende letzten Jahres vor der Mensa die „Tätervolk-Rede" vom Bundestagsabgeordneten Hohmann, im Mai dieses Jahres hatten sie zu einem „Vortrag über den Südtiroler Freiheitskampf in den 1960er Jahren" eingeladen, als Referenten waren Erhart Härtung und Peter Kienesberger anwesend. Beide wurden in den 60er Jahren von einem italienischen Gericht wegen des Todes von vier Soldaten bei einem Bombenanschlag in Südtirol zu lebenslanger Haft verurteilt.
Bei der aktuellen Veranstaltung nun sind unter anderem Michael Nier und Karl Richter als Redner angekündigt, die dem Verfassungsschutz seit Jahren bekannt sind.
Karl Richter wurde schon 1995 wegen Volksverhetzung verurteilt, und ist als Redakteur der Zeitung „Nation und Europa" tätig. Der Verfassungsschutz wertet: „Nation & Europa als bedeutendstes rechtsextremes Strategie- und Theorieorgan". Richter ist auch Chefredakteur des Magazins „Opposition", welches „Grundsatzbeiträge zur ideologischen Ausrichtung des Rechtsextremismus" enthält.
Michael Nier ist beim Staatsschutz ebenfalls ein alter Bekannter: Er begründete die „Arbeitsgruppe Nationaler Sozialisten" in der NPD und war 1999 sogar Europakandidat für die Partei. Mittlerweile ist er wegen interner Differenzen aus der NPD ausgetreten, jedoch weiterhin in der rechten Szene aktiv - als Autor und Redner. Er bemüht sich besonders um die Herausbildung eines „intellektuellen Rechtsextremismus".
Aus Österreich wird Gerhoch Reisegger angesagt, der bisher besonders durch antisemitische Äußerungen aufgefallen war. In Österreich war er schon Referent bei einem mittlerweile wegen NS-Wiederbetätigung behördlich aufgelösten Verein, und vor zwei Jahren war er Gast bei einer internationalen Revisionisten-Konferenz in Moskau. Die NPD kündigt Reisegger als einer der sechs Hauptredner beim diesjährigen „Deutsche Stimme Pressefest" im August in Ostdeutschland an. Bei dem Pressefest handelt es sich um eine der zentralen neonazistischen Veranstaltungen mit bis zu 4000 Teilnehmern aus ganz Europa und Übersee.
Der Lebenslauf des vierten Redners, Eberhard Hamer, wirkt dagegen fast schon harmlos: Er ist Leiter des „Mittelstandsinstitut Niedersachsen", schreibt für die „Junge Freiheit ", die sich für eine Verbindung von demokratisch-konservativen und rechtsextremen Positionen einsetzt, und war unter anderem im „Bund freier Bürger" aktiv, der ebenfalls als rechtsextrem eingestuft wurde.
Die pflichtschlagende Verbindung sagt über sich, sie sei „überparteilich politisch engagiert", aber wo das politische Engagement hinzielt, ist nun einmal mehr deutlich geworden.

Rhein-Neckar-Zeitung, 09.07.2004