Redebeitrag der Antifaschistischen Initiative Heidelberg
auf der Kundgebung gegen das „Heldengedenken“
am „Volkstrauertag“ 2009 (15.11.2009)

Die Gedenkstätte, auf der hier im Anschluss die Spitzen der Stadtverwaltung gemeinsam mit Militärs aus Bundeswehr und NATO aufmarschieren werden, offenbart schon in ihrer Architektur ihre Herkunft und ihren Charakter als nationalsozialistische Propagandastätte.

Zu Beginn der 1930er Jahre, das Ende der Massenschlächterei des Ersten Weltkrieges war gerade einmal zwanzig Jahre her, sehnten die deutschen Industriellen nichts sehnlicher herbei als einen neuen Krieg, zur Erweiterung der Absatzmärkte, um Zugang zu neuen Rohstoffen zu erhalten und zur Eroberung fremden Kapitals. Zu diesem Zweck förderten sie nach Kräften die aufstrebende NSDAP, die neben ihrer Kriegshetze zugleich Garantin dafür war, dass die Bekämpfung des Bolschewismus mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für sie oberste Priorität hatte. 1933 war es dann so weit. Der Machtantritt der Nazis brachte nicht nur die ersten Terrormaßnahmen gegen Jüdinnen und Juden, KommunistInnen und SozialdemokratInnen mit sich, sondern auch das Ingangsetzen einer gigantischen Propagandamaschine. In Heidelberg diente dazu unter anderem die Errichtung eines sogenannten „Ehrenfriedhofs“ auf dem Ameisenbuckel für die Gefallenen des ersten Weltkrieges durch den Reichsarbeitsdienst. Der sollte selbstverständlich nicht an alle deutschen Gefallenen erinnern – die Namen der gefallenen Juden wurden sorgsam aus den Listen getilgt.

Die Glorifizierung vergangener Schlächtereien war auch damals schon der erste Schritt zur Vorbereitung der geplanten neuen. 1934 war es dann so weit: Der Nazi-Oberbürgermeister Carl Neinhaus konnte mit stolzgeschwellter Brust im Braunhemd die vor uns liegende Monströsität eröffnen.
Schon bald galt es, Platz zu schaffen für neue sogenannte Helden, die ihren Einsatz im nationalsozialistischen Vernichtungskrieg nicht überlebt haben – Wehrmachtsangehörige ebenso wie Mitglieder der SS. Nach 1945 war die uneingeschränkte Beweihräucherung des Massenmordes doch nicht mehr ganz opportun. Auf dem faschistischen Opferstein im Zentrum der Anlage wurde verschämt die entpolitisierende und gleichmacherische Aufschrift „Den Opfern von Krieg und Gewalt in aller Welt“ angebracht. Damit wurden die Nazimörder und ihre Opfer in einen Topf geworfen und zu gemeinsamen Opfern des Bösen an sich erklärt, das keine Herkunft und keine Täter kennt.

Wer heute im Internet nach Texten über diesen Friedhof sucht, wird auch auf die Internetseiten des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ stoßen. Dort betreibt man unverhohlene Geschichtsklitterung. Die Geschichte des Ehrenfriedhofs beginnt mit seiner Restaurierung 1953!
Die alljährliche Gedenkveranstaltung am sogenannten Volkstrauertag war immer wieder Anziehungspunkt für Rechte aller Couleur. Neben militanten Neonazis hatten sich insbesondere revanchistischen Studentenverbindungen hier ein angemessenes Wirkungsfeld und Ambiente versprochen. Den Aufruf zum diesjährigen Aufmarsch auf dem Ehrenfriedhof stammt von Oberbürgermeister Eckart Würzner, der selbst Alter Herr des Corps Suevia ist – ein Mitglied jenes Corps also, das auch heute noch bei jeder Gelegenheit sein ehemaliges Mitglied, den hochrangigen SS-Funktionär Hanns Martin Schleyer hochleben lässt. Würzner lässt es in seinem Text nicht an Deutlichkeit fehlen: Es sei, so schreibt er „richtig und
wichtig, dass deutsche Soldaten an Friedensmissionen in der Welt beteiligt sind. Deutschland stellt sich damit der Verantwortung, die die internationale Staatengemeinschaft von unserem Land erwartet.“ Die Feier sei in diesem Jahre insbesondere den 81 Bundeswehrsoldaten gewidmet, die im vergangenen Jahr gefallen sind. Von den Opfern deutscher Soldaten
findet sich in dem Text kein Wort.

Damit bleibt Würzner der Geschichte des „Ehrenfriedhofs“ treu: Er verbindet die Verharmlosung vergangener deutscher Angriffskriege mit der Propagierung aktueller und neuer deutscher Kriegseinsätze in aller Welt. Dass der Aufruf auch vom grünen Bürgermeister Wolfgang Erichson und dem sozialdemokratischen Bürgermeister Joachim Gerner unterzeichnet ist, ruft offensichtlich nicht einmal mehr irgendwo Verwunderung hervor.
Inhalt, Form und Ort dieser Gedenkfeier sind ein Schlag ins Gesicht für alle Opfer der faschistischen Wehrmacht. Sie sind darüber hinaus eine ungeheuerliche Verharmlosung deutscher Kriegsverbrechen und eine geschmacklose Propaganda für Kriege als Mittel zur Durchsetzung politischer und vor allem wirtschaftlicher Ziele – denn dass es bei den Kriegseinsätzen in Afghanistan und im Irak um die Durchsetzung von Menschenrechten ginge, das ist selbst bei höchstem demagogischen Aufwand niemandem mehr zu vermitteln.
Wir werden keine Ruhe geben, bis die morbiden militaristischen Spektakel auf dem Ameisenbuckel der Vergangenheit angehören. Für die Verharmlosung vergangener deutscher Angriffskriege darf in Heidelberg genauso wenig Platz sein wie für die Vorbereitung, Durchführung und Propagierung neuer Kriege.
 

AIHD, 15.11.2009