RNZ, 10.4.2002

Von der Stadt erwarten wir überhaupt nichts mehr"

Das Autonome Zentrum (im Exil) fühlt sich hintergangen - Neue Räume sind nicht in Sicht - "Hellebächl" vom Tisch

Gespielt wird nicht nur "Klassenkampf" im derzeitigen Treff der AZIer, dem Cafe "Gegendruck" in der Fischergasse. Foto: Kresin

Von Holger Buchwald

"Es gibt keine Räumung ohne Ersatz", hatte Oberbürgermeisterin Beate Weber 1998 versprochen. Doch im Februar 1999 rückten die Abrissbirnen an und machten das Autonome Zentrum in der Alten Bergheimer Straße platt. Mehr als drei Jahre später sind immer noch keine neuen Räume in Sicht, obwohl es in jüngster Zeit Hinweise gibt, dass es genügend geeignete Objekte gegeben hätte. Die Autonomen sind stinksauer.

Hoch und prächtig sind die Neubauten auf dem Gelände der Alten Glockengießerei, dort, wo einst das Autonome Zentrum, eine baufällig anmutende Halle mit ihren Graffities an den Außenwänden, gestanden hatte. Die Zeiten, in denen hier an manchen Tagen 1000 Jugendliche und junge Erwachsene ihre Partys feierten, sind lange vorbei. Doch Ersatz für das außergewöhnliche soziokulturelle Zentrum, das freilich auch als Ort für linke bis linksradikale politische Aktivitäten weit über die Grenzen Heidelbergs hinaus bekannt war, ist noch immer nicht in Sicht. Jetzt haben sich auch die Aussichten auf das "Hellebächl" in Handschuhsheim zerschlagen, für das sich das "AZ im Exil" vor rund einem Jahr beworben hatte. Auf Wunsch des Gemeinderates soll die Gaststätte weiter von einer Familie geführt werden. Für die Autonomen bleibt da kein Platz.

"Unser Kampfgeist ist nach wie vor ungebrochen", erklärt AZ-Sprecher Michael Dandl im RNZ-Gespräch. Jetzt haben die Autonomen wenigstens im Cafe Gegendruck in der Fischergasse 2 einen Ort gefunden, wo sie ihr weiteres Vorgehen beraten können. Jeden Mittwoch treffen sie sich dort. Ein kleiner Trost, denn einen Veranstaltungsraum für große Partys gibt es immer noch nicht. Das "AZ im Exil" ist in dem Cafe nur Gast.

Die Autonomen fühlen sich verschaukelt, vor allem weil es mit der Villa Kunterbunt im Wieblinger Weg und mit dem Atelier Kontrast und der Halle 02 auf dem Gelände des Güterbahnhofes jüngst zwei sozio kulturellen Zentren gelungen ist, ein geeignetes Domizil zu finden. "In Heidelberg ist so etwas möglich, nur für uns nicht", regt sich Dandl auf. Und sein Ärger steigt, wenn er erzählt, dass es gerade die Halle 02 war, für die sich das AZ schon 1999 interessiert hatte. Damals hatten die Autonomen die Stadt kontaktiert, weil sie so hofften, bei der Deutschen Bahn als Vermieter mehr Chancen auf Abschluss eines Vertrages zu haben. Doch das AZ bekam eine Absage. "Man hat uns gesagt, dass die Halle vom Bundesgrenzschutz bezogen würde", ärgert sich Dandl. Trotzdem gönne er es den Leuten von Atelier Kontrast, dass sie einen geeigneten Raum gefunden hätten.

GAL-Stadtrat Christian Weiss kritisiert ebenfalls die Politik der Stadtverwaltung. Es sei bemerkenswert, dass die Villa Kunterbunt und das Atelier Kontrast Räume bekommen hätten: "Die Stadt versteckt sich hinsichtlich leer stehender Räume." Seine Äußerungen bezieht er vor allem auf die Jugendhalle, für die von Seiten der Stadt auch keine geeigneten Räume bereitgestellt würden. "Den Ärger wegen der Halle 02 teilen wir", meint Weiss.

Auch wenn der GAL-Stadtrat politisch auf Distanz zu den AZ-Leuten geht, meint er, dass Heidelberg dringend ein Autonomes Zentrum benötige. Weiss respektiert auch den Wunsch der Autonomen, eigene Räume zu haben, um ihrer politischen Arbeit nachgehen zu können. Doch gerade deswegen glaubt er nicht, dass bald eine Lösung in Sicht ist: "Die Chemie zwischen der OB und dem AZ ist wohl dauerhaft geschädigt."

Diese Ansicht bestätigt sich im Gespräch mit Herbert Braun, dem persönlichen Referenten der OB. "Die Autonomen müssen sich auch mal selbst um etwas bemühen", meint Braun und kritisiert den "schlechten Ruf" der Autonomen. Wer in der Plöck ein Haus besetze und auf dessen Demonstrationen Vermummte mitlaufen würden, der würde nicht überall Sympathien ernten.

Das Versprechen der OB auf ein neues Gebäude habe sich auf den Schlierbacher Bahnhof bezogen, das dem AZ als neues Domizil vorgeschlagen worden sei. Damals habe man sich aber nicht einigen können. "Und andere Räume waren nicht in Sicht", meint Braun. Das AZ müsse sich von seinen politischen Parolen verabschieden: "Es sollte sein Image so aufpolieren, dass man ihm wohlgesonnen ist." Er schlägt den Autonomen vor, sich der Jugendhallen-Konzeption anzuschließen. Denn eines schließt der OB-Referent aus, dass die Stadt gleich zwei große Hallen-Projekte verfolgen könne.

Dass aus seinem Vorschlag etwas wird, scheint unwahrscheinlich, denn in Gesprächen haben die Autonomen bereits mehr als deutlich gemacht, dass sie nicht für ein Projekt unter Federführung des Stadtjugendringes zu gewinnen sind, wie es das Jugendhallen-Konzept vorsieht. Dies widerspreche ihren Vorstellungen von Autonomie.

"Von der Stadt erwarten wir überhaupt nichts mehr", meint Dandl. Er verspricht, dass das "AZ im Exil" diesen Monat wieder auf sich aufmerksam machen wird, nachdem es die letzten Monate relativ ruhig geworden war. In der Nacht zum 1. Mai werden die Autonomen vor der Neuen Universität gegen das Maiansingen der Burschenschaften demonstrieren. Und am Samstag, 13. April, wird auf dem Anatomieplatz von 13 bis 16 Uhr ein "Aktionstag zur Inneren Sicherheit" durchgeführt, mit Redebeiträgen, einer Theateraufführung und einer Ausstellung.