Am 26.05.2001 fand zum wiederholten Male eine Demonstration für ein neues Autonomes Zentrum
(AZ) in
Heidelberg statt, an der ca. 600 Personen teilnahmen. Trotz gegenteiliger Absprachen mit den
Veranstaltungsleitern errichtete die Polizei am Treffpunkt der Demonstration eine massive und
geschlossene Absperrung, die viele potenziell Interessierte von einer Teilnahme abschreckte. Der Platz am
Bauhaus erweckte nicht den Eindruck, dass hier ein Demonstrationsrecht von den Staatsorganen begleitet, sondern
eher verhindert wurde. Die „Kontrollen“, bei denen jede Person einer ausführlichen Durchsuchung ausgesetzt war,
entbehrten jeder Berechtigung, da nichts beanstandet wurde. Der Platz glich einem Polizeikessel.
Der Demonstrationszug, der sich dann gegen 14.20 Uhr in Bewegung setzte, ähnelte auf Grund
eines permanenten Spaliers und einer umfangreichen Abschreckungsnachhut zeitweise der Durchführung von
Polizeifestspielen. Durch diese präventiven Kriminalisierungsversuche sollte wohl der schon seit Längerem von der
Stadt eingeschlagene Konfrontationskurs gegen die Einrichtung eines Autonomen Zentrums konsequent
umgesetzt werden.
Trotz alledem konnte die von einem massiven Polizeiaufgebot begleitete Demonstration ohne
Zwischenfälle durchgeführt werden. Sie endete um 16.30 Uhr auf dem Bismarckplatz.
In zahlreichen Redebeiträgen wurde wiederholt auf die Notwendigkeit des Aufbaus und Erhalts
selbstverwalteter
Zentren in Baden-Württemberg aufmerksam gemacht. Insbesondere wurde die desolate Situation in
Heidelberg
thematisiert, wo seit dem Abriss des AZ am 01.02.1999 der Wiederaufbau wirklich selbstverwalteter
Strukturen in
Form eines größeren Kommunikationszentrums systematisch verhindert wird. Mittlerweile wird jeder
Versuch von
Seiten des AZ, Verhandlungen mit der Heidelberger Stadtverwaltung aufzunehmen, abgeblockt.
Auch auf die
Bewerbung des AZ-Trägervereins um die seit November 2000 leer stehende Gaststätte „Hildes
Hellebäch`l“ gab es
bisher nur eine ernst zu nehmende Reaktion: Der Erste Bürgermeister Raban von der Malsburg ließ
verlauten, eine
zukünftige Nutzung des optimalen Gebäudes durch das Autonome Zentrum sei undenkbar.
Im Anschluss an die Demonstration gab es Essen zum Selbstkostenpreis in einer VoKü bei
Handschuhsheim. Ab
21 Uhr ging die VoKü in eine Party mit den Djanes der UnheilBar über. Es waren ca. 250
BesucherInnen
gekommen, die sich bei dieser Gelegenheit auch ein Bild von der Angst der Stadt vor einer
neuerlichen Besetzung
der nahe gelegen ehem. Gaststätte "Hildes Hellebäch`l" machen konnten. Dort beobachteten
mehrere
Einsatzfahrzeuge der Polizei das Geschehen, was als Sahnehäubchen auf den Einsatzkosten für
diesen Tag der
Polizei betrachtet werden kann...
Auch wenn wir nicht an den Erfolg des letzten Jahres anschließen konnten, als im Februar
1200 Personen
für ein neues Autonomes Zentrum auf die Straße gingen, werten wir die Demonstration als
Erfolg. Sie hat
erneut gezeigt, dass es selbst nach so langer Zeit sehr viele Menschen gibt, die für
selbstverwaltete Räume kämpfen.
Artikel aus der RNZ vom 28.5.2001
Autonome und Polizisten hielten sich die Waage
Auf der Demonstration für ein neues Autonomes Zentrum mit
rund 500 Teilnehmern kam es zu keinen nenneswerten Zwischenfällen
Von Holger Buchwald
Vollkommen friedlich und problemlos verlief am Samstag die Demonstration
der Heidelberger Autonomen für ein neues Domizil. Mehrere Hundert
Personen marschierten während der Geschäftszeiten durch
die Hauptstraße, wodurch die Einkäufer und Touristen
in die Läden zurückgedrängt wurden. Vor rund zweieinhalb
Jahren ließ die Stadt das Autonome Zentrum (AZ) auf dem Gelände
der Alten Glockengießerei abreißen. Seitdem sind die
Heidelberger Autonomen und die UnheilBar, ein Treffpunkt für
Schwule und Lesben in den Räumen des alten AZ, obdachlos. Jetzt
fordern sie neue Räume, in denen sie ein selbst verwaltetes
Zentrum aufbauen können - das Wunschobjekt ist bereits ausgemacht:
das "Hellebächl" in Handschuhsheim. Doch die Chancen,
in diese leer stehende Gaststätte einziehen zu können,
stehen schlecht. Schließlich sind die Autonomen alles andere
als unpolitisch, und die linken Parolen stoßen bei Behörden
und städtischen Einrichtungen nicht gerade auf Gegenliebe.
Außerdem lehnen die AZler jede Mitarbeit mit dem Stadtjugendring
ab, da sie sich "wirklich selbst verwalten" wollen.
Die Fronten zwischen Vertretern der Stadt und Autonomen sind verhärtet.
Seit geraumer Zeit herrsche "Funkstille", erzählte
AZ-Sprecher Michael Dandl der RNZ am Rande der Demo. Deshalb versuchen
die Autonomen immer wieder auf sich aufmerksam zu machen: Zwei Mal
wurde das "Hellebächl" bereits für kurze Zeit
besetzt; und auf der Demonstration am Samstag, die vom Bauhaus über
die Hauptstraße zum Universitätsplatz und über die
Plöck zurück zum Bismarckplatz führte, wurden fleißig
Flugblätter verteilt und die Fußgängerzone mit Lautsprechern
beschallt. Auf der letztjährigen AZ-Demo hatten sich einige
Autonome vermummt, und in der Nacht war es zu Ausschreitungen gekommen.
Solche Zwischenfälle wollte die Polizei in diesem Jahr mit
allen Kräften verhindern. "Noch nie gab es auf einer AZ-Demo
so viel Polizei", meinte Michael Dandl. 500 Beamte waren im
Einsatz, unter ihnen viele Frauen - damit kam auf jeden Demonstranten
mindestens ein Polizist.
Vor Beginn der Demo riegelten die Beamten den Platz vor dem Bauhaus
hermetisch ab. Ohne dass die mitgeführten Taschen und Rucksäcke
durchsucht wurden, gab es kein Durchkommen; und als sich der Zug
in Bewegung setzte, bildeten die Polizisten ein Spalier - in den
Augen der Demonstranten ein "Einschüchterungsversuch"
der Sicherheitskräfte. Bernd Bühler, der die polizeilichen
Einsatzkräfte während der Demonstration leitete, verteidigte
dagegen seine Strategie: "Letztes Jahr wurde mit einer Schreckschusspistole
geschossen. " Aggressive, gegen die Polizisten gerichtete Sprüche
waren selten; und die Demonstranten beachteten auch das Vermummungsverbot:
Antifaschisten, Lesben und Schwule, Heidelberger und auswärtige
Autonome forderten friedlich, aber lautstark ein neues Autonomes
Zentrum in Heidelberg und den Aufbau solcher Treffpunkte in ganz
Baden-Württemberg.
Die Parolen und die Punk-Musik, die aus den Lautsprechern des
mitgeführten Lieferwagens dröhnten, hallten von den Wänden:
"Für ein neues Autonomes Zentrum - Bürger, lasst
das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein. Die Aufforderung hatte
wenig Erfolg. Kaum ein Heidelberger reihte sich in den Zug ein.
Offenbar wurden viele von den bunten Haaren, schwarzen und roten
Flaggen der Demonstranten und dem großen Polizeiaufgebot abgeschreckt.
Und offenbar konnten auch viele Bürger mit den Forderungen
der jungen Leute nichts anfangen. Und das, obwohl nach der "Heidelberg-Studie
2000" 66 Prozent der Bürger den Aufbau eines neuen AZ
befürworten. Dieses Potenzial konnte nicht mobilisiert werden.
Deshalb gab es bei den Organisatoren nach der Veranstaltung lange
Gesichter. Die beginnenden Pfingstferien taten ein Übriges,
warum so wenige Demonstranten gekommen waren - im letzten Jahr waren
es mit 1200 Personen mehr als doppelt so viele. Die Polizei war
jedoch sehr zufrieden: "Aus meiner Sicht verlief die Demo einwandfrei",
meinte Bernd Bühler. Und auch in der Nacht, als sich die Demonstranten
noch zur "Volxküche" in "Gustavs Garten",
ganz in der Nähe vom "Hellebächl", getroffen
hatten, kam es nicht zu Ausschreitungen oder Versuchen, die Gaststätte
zu besetzen.
Das Autonome Zentrum Heidelberg (AZ) war über nahezu acht Jahre hinweg ein
selbstverwalteter, nicht-kommerzieller und unabhängiger Treffpunkt für linke
Gruppen und Einzelpersonen, die zu einer Vielzahl von kulturellen und
politischen Themen arbeiteten. Mit mehr als 25 Events im Monat gehörte das AZ
zu den aktivsten und mit niedrigen Eintritts- und Getränkepreisen auch zu den
billigsten Veranstaltungsorten im gesamten Rhein-Neckar-Raum.
Mit dem Abriss des Gebäudes am 01.02.1999 endete der erfolgreiche Betrieb des
selbstverwalteten Zentrums entgegen früherer Versprechen der Stadt ersatzlos,
und Versuche von Seiten des AZ, wieder Verhandlungen zu führen, werden
regelmäßig abgeblockt.
Um Druck auf die Stadt auszuüben, fanden in den vergangenen Jahren zahlreiche
Aktionen statt, z. B. mehrere "Test Your AZ"-Besetzungsparties, die Besetzung
des ehemaligen Rangierbahnhofs im Februar 2000 und die bundesweiten Demos in
den vergangenen Jahren.
Derzeitiger Kristallisationspunkt im Kampf für ein neues AZ ist die ehemalige
Gaststätte "Hildes Hellebäch'l", die seit Längerem leer steht. Zusätzlich zur
Bewerbung um das öffentlich ausgeschriebene Gebäude durch den AZ-Trägerverein
fanden dort in den letzten Monaten mehrere öffentlichkeitswirksame Aktionen
statt.
Trotzdem ignoriert die Stadtverwaltung weiterhin die Forderungen der
AZ-SympathisantInnen und versucht, das "Problem" auszusitzen.
Bedrohung selbstverwalteter Zentren in Baden-Würtemberg
Auch in anderen Städten Baden-Württembergs zeichnen sich derartige Tendenzen
ab: so wird versucht, (Innen-)Städte verstärkt kapitalistischen
Vermarktungsstrategien unterzuordnen und sie auf diesem Wege in
"Sicherheitszonen" zu verwandeln. Selbst-verwaltete Zentren stören diese
Zonen, weil sie meist Ausdruck kollektiven Widerstandes gegen dahin gehende
Umstrukturierungsmaßnahmen sind, und werden von den Stadtverwaltungen
zunehmend unter Druck gesetzt, in ihrer Existenz bedroht oder zerstört.
Gegen die Politik der "sauberen Innenstädte" und den Ausbau des Polizeistaats!
Die städtische Politik gegenüber den Zentren ist kein Einzelphänomen, sondern
muss im Kontext des Konstrukts der "Inneren Sicherheit" betrachtet werden, das
neben dem Konzept der "sauberen Innenstädte" und der zunehmenden
(elektronischen) Überwachung auch den Ausbau des autoritären Polizeistaats
beinhaltet. Diejenigen, die diese Repressionsstrategien erwartungsgemäß als
Erste treffen, sind unerwünschte und nicht-verwertbare "AußenseiterInnen" wie
MigrantInnen, Obdachlose, Junkies und Punks sowie eben selbstverwaltete
Zentren, die Alternativen zum herrschenden Konsumterror praktizieren.
Für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg!
Für den Aufbau und Erhalt selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg!
Gegen die Politik der "Inneren Sicherheit" und den Ausbau des autoritären
Polizeistaats!
Das Autonome Zentrum Heidelberg
Das Autonome Zentrum Heidelberg (AZ) war über nahezu acht Jahre hinweg ein
selbstverwalteter, nicht-kommerzieller und unabhängiger Treffpunkt für eine
Vielzahl kulturell arbeitender und politisch aktiver Gruppen und
Einzelpersonen. Seit dem ersten (inoffiziellen) AZ-Fest am 17.02.1991 in den
Räumen der ehemaligen Weber-Druckerei in der Alten Bergheimer Straße 7a
begannen dort viele Menschen, mit freiwilligem und unentgeltlichem Engagement
ihre Vorstellungen von einer freien, solidarischen Gesellschaft umzusetzen.
Das AZ gehörte mit durchschnittlich mehr als 25 Events im Monat zu den
aktivsten und mit niedrigen Eintritts- und Getränkepreisen auch zu den
billigsten Veranstaltungsorten im gesamten Rhein-Neckar-Raum.
An diesem freien Treffpunkt für linke Projekte entwickelten sich unzählige
politische, kulturelle und handwerkliche Gruppen/Initiativen, die mindestens
ein Element miteinander verband: die kollektive Aufrechterhaltung und
Verteidigung selbstbestimmten, eigenverantworteten Arbeitens, Organisierens
und Feierns. Zu diesen Gruppen und Einrichtungen zählten antifaschistische und
antirassistische Zusammenschlüsse, die FrauenLesbenEtage "Mafalda", der
Infoladen "Moskito", das Café "Tabula Rasa", die SchwulLesBische "UnheilBar",
Gustavs Fahrradwerkstatt und ein Fotolabor ebenso wie regelmäßig stattfindende
Discos, Konzerte, Workshops und Theateraufführungen.
Das AZ leistete als etabliertes, stark frequentiertes Kommunikationszentrum
aktiven Widerstand gegen großstädtische Ausgrenzungsmethoden,
Privatisierungsmodelle und Sicherheitswahn, indem es einen Ort darstellte, an
dem flächendeckende Raumverbote für marginalisierte Gruppen durchbrochen
wurden. Mit seiner vorteilhaften Lage in nächster Nähe zur Heidelberger
Hauptstraße war es deshalb immer all jenen ein Dorn im Auge, die an der
rigorosen Verdrängung der verschiedenen "Submilieus" aus dem Innenstadtbereich
interessiert sind, um den ungestörten und gesicherten Konsum zu gewährleisten
und das Bild der "sauberen", romantischen TouristInnenstadt
aufrechtzuerhalten. Deshalb versuchte die Stadt Heidelberg immer wieder, dem
Autonomen Zentrum seine Räume zu kündigen, sah sich aber - unter anderem auf
Grund der bundesweiten AZ-Demos in den Jahren 1996 und 1997 - gezwungen, den
Vertrag mehrfach zu verlängern.
Am 01.02.1999 demonstrierte die Stadtverwaltung jedoch ihre Macht, indem sie
vor den Augen der protestierenden AZ-SympathisantInnen mit dem Abriss des
Gebäudes begann. Damit endete der achtjährige erfolgreiche Betrieb des
selbstverwalteten Zentrums ersatzlos, obwohl Oberbürgermeisterin Beate Weber
dem AZ mehrfach gleichwertige Räume versprochen hatte.
Der Kampf für ein neues AZ geht weiter!
Doch die Hoffnung der Stadt Heidelberg, mit der Zerstörung des Zentrums würde
sich auch das "Problem AZ" lösen, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen geht der
Kampf für ein neues Gebäude mit zahlreichen Aktionen weiter, zu denen neben
den bundesweiten Demos in den vergangenen Jahren auch die
"Test-Your-AZ"-Besetzungsparties sowie die Besetzung des früheren
Rangierbahnhofs im Februar 2000 gehören.
Versuche von Seiten des AZ, Verhandlungen mit der Stadtverwaltung zu führen,
werden regelmäßig abgeblockt; inzwischen behauptet die OB sogar, das AZ sei
freiwillig aus laufenden Verhandlungen (über ein "selbstverwaltetes"
Jugendzentrum) ausgestiegen. Entgegen den Angaben der Stadt, es seien keine
geeigneten Räumlichkeiten vorhanden, gibt es aber durchaus Gebäude, die für
ein neues AZ in Frage kommen.
Zu diesen gehört auch die ehemalige Gaststätte "Hildes Hellebäch'l", die sich
im Besitz der Stadt befindet und am 22.11.2000 auf Grund angeblicher
Pachtschulden zwangsgeräumt wurde. Das Autonome Zentrum (im Exil) hat mehrfach
Interesse an diesem Gebäude bekundet, und der Trägerverein des früheren AZs
hat sich - mit mehr als 20 anderen InteressentInnen - bei der öffentlichen
Ausschreibung beworben, ohne bisher eine positive Antwort erhalten zu haben.
Zusätzlich fanden in den letzten Monaten in und an dieser leerstehenden
Gaststätte mehrere größere Aktionen statt, die jeweils von einem enormen
Bullenaufgebot begleitet waren:
So wurde am Abend vor der Zwangsräumung der bisherigen Pächterin eine
AZ-Solidaritätsparty in den dortigen Räumen veranstaltet, die am Morgen des
22. Novembers in ein Besetzungsfrühstück des "Unabhängigen Komitees »Take Your
AZ«" überging.
Am 09.12.2000 organisierten AZ-SympathisantInnen eine spontane Volxküche in
dem nunmehr leerstehenden Gebäude, die auf Grund des regen Zulaufs bald in
eine "Test Your AZ"-Party überging.
Angesichts verstärkter öffentlicher Repressionsdrohungen für den Fall eines
erneuten Besetzungsversuchs verlagerte die nächste Aktion am 13.01.2001 ihren
Schwerpunkt: das "Test Your Playground" stellte das angrenzende
Freizeitgelände in den Mittelpunkt, und mit der anschließenden Spontandemo
wurde die Forderung nach einem neuen AZ in die Innenstadt getragen.
Trotzdem versucht die Stadt Heidelberg weiterhin, das Problem auszusitzen,
indem sie die Forderung, das frühere Versprechen für ein gleichwertiges
Ersatzgebäude endlich einzulösen, ignoriert und die AZ-SympathisantInnen
zunehmend Repressionen unterwirft.
Bedrohung selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg
Doch auch in anderen Städten Baden-Württembergs zeichnen sich derartige
Tendenzen ab: so ähneln sich die städtischen Maßnahmen gegen selbstverwaltete
Zentren nicht nur, sondern werden teilweise sogar durch behördliche Absprachen
auf den gleichen Stand gebracht. Hintergrund dieses Vorgehens ist der Versuch,
Innenstädte oder Städte überhaupt in größerem Rahmen kapitalistischen
Vermarktungsstrategien unterzuordnen und sie auf diesem Wege in
"Sicherheitszonen" zu verwandeln. Selbstverwaltete Zentren stören diese Zonen,
weil sie in den meisten Fällen Ausdruck kollektiven Widerstandes gegen dahin
gehende Umstrukturierungsmaßnahmen sind, und werden von den jeweiligen
Stadtverwaltungen zunehmend unter Druck gesetzt, in ihrer Existenz bedroht
oder zerstört. Der Aufbau neuer Zentren wird durch eine Vielzahl von
Strategien erschwert oder verhindert, die vom Versuch einer Kontrolle durch
städtische Institutionen bis hin zu brachialen Repressionen gegenüber den
engagierten Initiativen reichen und von Verleumdungskampagnen in den
Lokalzeitungen begleitet werden.
Gegen die Politik der "sauberen Innenstädte" und den Ausbau des Polizeistaats!
Die Politik der Stadtverwaltungen gegenüber den Zentren ist keineswegs ein
isoliertes Phänomen, sondern muss im Kontext des Konstrukts der "Inneren
Sicherheit" betrachtet werden, das z. B. mit "Gegen Schmutz und
Schmierereien"-Kampagnen auf baden-württembergischer Kommunalebene
vorangetrieben wird. Damit soll ein sauberes, konsumorientiertes Stadtbild
aufrecht erhalten werden, das frei von störenden Einflüssen durch
nicht-verwertbare Bevölkerungsgruppen ist, zu denen beispielsweise
MigrantInnen, Obdachlose, Junkies, SprayerInnnen und Punks gezählt werden.
Dieses Konzept der "sauberen Innenstädte", aus denen linke Treffpunkte oder
Menschen, die nicht über die entsprechende Kaufkraft verfügen oder als
Stadtbild beschmutzende "Schandflecke" marginalisiert werden, vertrieben
werden, wird durch elektronisch gestützte Ausgrenzungstaktiken ergänzt.
Mannheim stellt bereits seit geraumer Zeit eine Modellstadt in Sachen
(Video-)Überwachung dar, ein Beispiel, dem auch andere Städte in
Baden-Württemberg folgen sollen. Die Überwachung öffentlicher Räume, die
keineswegs einen Rückgang der Kriminalität, sondern höchstens eine Verlagerung
mit sich bringt, wird hauptsächlich zur Verfolgung von Bagatelldelikten und
zur Erstellung von Bewegungsprofilen unliebsamer Personen benutzt.
Gerechtfertigt wird dieses Vorgehen durch Extrembeispiele wie sexualisierte
Gewalt gegen Kinder und konstruierte Bilder der "organisierten Kriminalität",
die von PolitikerInnen, Presse und Polizei herangezogen werden, um die im
kapitalistischen Akkumulationsregime bereits vorhandenen Bedrohungsszenarien
in der Bevölkerung dramatisierend zu ergänzen. Über gemeinsame Abwehrmaßnahmen
gegen "die Anderen" soll staatliche Überwachung als Teil einer integrierenden
"corporate identity"-Strategie eine Symbiose mit dem Denunziationswillen des
Großteils der deutschen Bevölkerung eingehen.
Diejenigen, die der massive Ausbau des autoritären Polizeistaates
erwartungsgemäß als Erste trifft, sind selbstverständlich nicht die an
umfassender Sicherheit interessierten BürgerInnen, sondern die oben genannten
AußenseiterInnen, zu denen vor allem die ökonomisch unerwünschten Flüchtlinge
gehören, die Opfer der staatlichen Instrumente rigoroser Vertreibung, sozialen
Ausschlusses und wohlstandschauvinistisch codierter Ausgrenzung werden.
Für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg!
Für den Aufbau und Erhalt selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg!
Gegen die Politik der "Inneren Sicherheit" und den Ausbau des Polizeistaats!
Zur Situation selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg
Das Mannheimer Jugendzentrum in Selbstverwaltung "Friedrich Dürr"
Das seit nahezu 30 Jahren existierende selbstverwaltete Jugendzentrum in
Mannheim - kurz JuZ genannt - wurde zwar nicht zerstört, aber aus seiner
optimalen innerstädtischen Lage an die Peripherie der "Rhein-Pfalz-Metropole"
gedrängt. Doch damit nicht genug: Drastische, vor allem von der Mannheimer CDU
durch den Gemeinderat geboxte Kürzungen der städtischen Bezuschussungen haben
mittlerweile dazu geführt, dass die Aufrechterhaltung des JuZ-Betriebs nur
noch unter schlechten Bedingungen gewährleistet werden kann, auch wenn sich
alle Beteiligten noch mehr als früher darum bemühen, ihr ehrenamtliches
Engagement effektiv einzubringen. Allem Anschein nach versucht die Stadt
Mannheim, den ohnehin fast ausgetrockneten Geldhahn fürs JuZ nach und nach so
weit zuzudrehen, dass ein Gebäudebetrieb unter den jetzigen Bedingungen
unmöglich wird.
Die "Ex-Steffi" in Karlsruhe
Die "Ex-Steffi" in der Karlsruher Schwarzwaldstraße ist ein unabhängiges Wohn-
und Kulturprojekt. Hier wohnen permanent zwischen 20-25 Leute, denen es
gefällt, an "kollektiven" Lebensformen Teil zu haben, d. h. "mit Leuten
gemeinsam unter einem Dach zu sein, mit mehreren eine Küche zu teilen, alle
Entscheidungen, die das Haus betreffen, gemeinsam zu fällen, Spaß zu haben,
gemeinsame Interessen zu vertreten etc." (aus der Presseerklärung der
"Ex-Steffi" zum brachialen Polizeieinsatz am 16.12.2000)
Darüber hinaus finden in der "Ex-Steffi" "unzählige Veranstaltungen statt, die
teils von uns, teils von anderen, die das Haus nutzen, organisiert werden.
(...) Alle Veranstaltungen sind absolut unkommerziell, d. h. ziemlich billig
oder kostenlos und keine/r von uns verdient auch nur einen Pfennig daran,
sondern macht alles freiwillig. (...) Wir sind seit zehn Jahren in Karlsruhe
kontinuierlich am Werk, sind für viele unterschiedliche Menschen eine wichtige
»Einrichtung« und daher nicht mehr wegzudenken" (ebd.). Der Name "Steffi"
stammt aus der Zeit, "als wir in den besetzten Häusern in der Stephanienstraße
60-64 wohnten. Diese waren 1990 besetzt worden und sieben Jahre in unserer
Hand gewesen. Im September 1997 sind wir auf Grund massiven Räumungsdrucks
unfreiwillig in die Schwarzwaldstraße 79, hinter dem Hauptbahnhof, umgezogen.
Seit ca. drei Jahren ist dort unser Hauptquartier." (ebd.)
Nun soll dieses Gelände Hauptbahnhof Süd kapitalistischen Interessen zum Opfer
fallen und damit als "Filetstückchen" der Stadt etabliert werden. Einen ersten
Vorgeschmack, wie das durchgesetzt werden soll, lieferten die Ereignisse vom
16.12.2000: An diesem Tag "wurden mit einem brachialen Polizeieinsatz die
ehemaligen [direkt an die "Ex-Steffi" angrenzenden] Räume der staatlichen
Hochschule für Gestaltung (HfG) unbewohnbar gemacht. (...) Das Wohn- und
Kulturprojekt »Ex-Steffi« bezog im September 1997 Räume in der
Schwarzwaldstraße 79. Zum damaligen Zeitpunkt wurden noch 18 Räume dieses
Gebäudes von der HfG genutzt. Der zwischen der Stadt und der »Ex-Steffi«
ausgehandelte Mietvertrag war auf drei Jahre befristet und wurde im September
2000 um weitere drei Jahre verlängert. (...) [Er sah unter anderem vor, dass]
im Falle eines Auszuges der HfG, wie er jetzt vollzogen wurde, die Stadt
zunächst Verhandlungen mit der »Ex-Steffi« über die weitere Nutzung dieser
Räume aufnimmt. Der »Ex-Steffi« wurde das Vorrecht zur Anmietung eingeräumt,
vorausgesetzt, die Stadt möchte die Räume vermieten. (...) Der Verdacht, es
solle Wohnraum für Mitglieder der Heidelberger Szene besetzt werden, ist mehr
als aus der Luft gegriffen. Richtig ist, dass das Autonome Zentrum Heidelberg
geräumt wurde. Falsch ist, dass damit auch Personen ihres Wohnraumes beraubt
wurden. Das Autonome Zentrum in Heidelberg war ausschließlich ein Kultur- und
kein Wohnprojekt. Hieraus einen Wohnraumbedarf zu konstruieren, erscheint mehr
als fraglich, lässt auf schlechte Recherche schließen und stützt den Verdacht,
den Einsatz über die Kriminalisierung einer Szene legitimieren zu wollen!"
(ebd.)
Der "Kulturtreff in Selbstverwaltung" (KTS) in Freiburg
Der "Kulturtreff in Selbstverwaltung" (KTS) in Freiburg, der sich - unter
anderem als Produkt mehrerer Besetzungsaktionen - seit Ende 1998 in einem noch
teilgenutzten Betriebswerk der Deutschen Bahn in der Baslerstraße 103
befindet, begreift sich "als linksradikales Zentrum... An dem Begriff wollen
wir festhalten, obwohl »linksradikal« durch die herrschende Politik und die
bürgerlichen Medien kriminalisiert und als terroristisch verunglimpft wird.
»Links« zu sein bedeutet für uns, gesellschaftliche Veränderungen im
emanzipatorischen Sinne umzusetzen. »Radikal« heißt nicht unweigerlich, zur
Gewalt zu greifen. Radikal im Wortsinne meint vielmehr - im Gegensatz zum
Reformismus - an die Wurzeln zu gehen, also Unterdrückung und Ungleichheit
grundsätzlich zu bekämpfen, Herrschaftsverhältnisse abzuschaffen. Die
linksradikale »Szene« nimmt eine große Bedeutung im Gefüge der KTS ein. Die
KTS bietet die Infrastruktur für die Gruppenarbeit und den Austausch zwischen
den Gruppen. Aus einer Antihaltung gegenüber dem verheerenden Ist-Zustand der
Welt entwickeln sich revolutionäre Perspektiven für eine bessere Zukunft. So
wichtig die Szene ist, sie [ist] nicht einziger Bezugspunkt der KTS. (...) Das
Haus soll offen für alle Menschen sein, die unseren Grundsätzen nicht entgegen
stehen. Wir streben eine größtmögliche Vielfalt an Menschen und Gruppen an,
die sich im und für das Haus engagieren. Das Ziel der KTS ist, politische,
kulturelle und soziale Aktivitäten in einem gemeinsamen Haus stattfinden zu
lassen. Die strikte Trennung in VeranstalterInnen und KonsumentInnen soll
hierbei aufgehoben werden. Für alle soll die Möglichkeit bestehen, in der KTS
die eigene Freizeit angenehm zu verbringen, vor allem sich jedoch kulturell,
sozial oder politisch zu betätigen. Die Organisationsform der KTS ist
basisdemokratisch und unkommerziell, Inhalte werden gemeinsam erarbeitet und
die notwendigen Aktivitäten zur Durchsetzung derselben gemeinsam getragen. Das
Standbein der KTS ist also das ehrenamtliche Engagement vieler." (aus dem
Selbstverständnis der KTS)
Das Autonome Zentrum Schlauch in Pforzheim
Das Autonome Zentrum Schlauch in Pforzheim hat das gleiche Schicksal erlitten
wie das Autonome Zentrum Heidelberg: es wurde - ersatzlos - dem Erdboden
gleichgemacht. Einziger Unterschied: Den bedeutend kleineren Schlauch gab es -
mit mehr als 20 Jahren - viel länger als das AZ Heidelberg. Der Schlauch war
"das einzige linke Jugend- und Kulturzentrum Pforzheims und der Umgebung. Es
[bot] Freiraum für zahlreiche unkommerzielle Veranstaltungen, Gruppentreffen
oder einfaches Beisammensein ohne Konsumzwang bei Musik und Kickerspiel. Mit
Eintrittspreisen bis 10 DM für Konzerte, Vokü zum Selbstkostenpreis,
kostenlosen Parties und Discos, [wurde] aktiv gegen die alltägliche
Ausgrenzung von Randgruppen und Einkommensschwachen vorgegangen. Es [bot]
jungen Bands und KünstlerInnen ein öffentliches Forum, das den allgemeinen
Erstickungstendenzen gegenüber Nichtetabliertem und Unkonventionellem
entgegenwirken [sollte]. Ebenso [war] politische Arbeit im Sinne
linksradikaler Gegenkultur ein fester Bestandteil des Schlauchs". (aus dem
Selbstverständnis des Schlauchs)
Im Oktober 1999 wurde das AZ Schlauch vom Pforzheimer Amt für öffentliche
Unordnung schließlich geschlossen - angeblich wegen fehlender
Sicherheitsvorkehrungen. Nach Monaten kostspieliger Renovierungsarbeiten lief
dann am 31.03.2000 der Mietvertrag bei der Stadtbau GmbH aus. Die AWO,
bisherige Hauptträgerin, war nicht mehr bereit, ein neues Mietverhältnis
anzustrengen. Auch mehrere öffentlichkeitswirksame Aktionen wie
Demonstrationen, Infostände und sonstige Spektakel konnten nicht verhindern,
dass der Schlauch dann endgültig geschlossen wurde. Zwar "durften"
Schlauch-AktivistInnen noch mögliche Ersatzräume zusammen mit der Stadt
besichtigen; aber dann lehnte der Gemeinderat - "dank der scheinheiligen
Pforzheimer CDU und ihres Mobs" - dieses potenzielle Gebäude doch noch ab.
Damit hat auch Pforzheim sein letztes selbstverwaltetes Zentrum verloren.
Das "Bedingt Autonome Zentrum" (BAZ) in Stuttgart
Auch Stuttgart hat nun wieder ein Autonomes Zentrum; allerdings nur "bedingt".
Weil es nämlich vom eingetragenen Verein "Zentralkultur" gemietet werden
musste und dementsprechend auch nicht zu den größten Zentren zu zählen ist.
Aber immerhin bietet es mehreren linken/linksradikalen Gruppen die
Möglichkeit, sich unkontrolliert zu treffen und auszutauschen. Und was nicht
ist, kann ja noch werden. Leider gibt's aber auch hier schon wieder ziemlichen
Stress mit AnwohnerInnen und der Vermieterin des Gebäudes, die direkt über dem
BAZ wohnt...