Solidaritäts-Komitee für die BesetzerInnen der Casa Loca

Freiräume statt Fremdbestimmung

Erklärung

Am Donnerstag, den 29. Januar 2004, wurde das Gebäude am Schlosswolfsbrunnenweg 3 besetzt. Es sollte dort ein soziales und kulturelles Zentrum, jenseits von Konsumzwang und kapitalistischer Verwertungslogik entstehen. In der Nacht des 30.01. fand eine Party statt, die von ca. 150 Menschen besucht wurde. Am folgenden Tag, dem 31.01. wurde das Haus gegen 13 Uhr von einem Sondereinsatzkommando geräumt. Uns, den 14 Festgenommenen, wurde nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt, unsere Anliegen vorzubringen und Verhandlungen aufzunehmen. Ca. 20 Sekunden nach einmaliger Ankündigung der Räumung, stürmte das SEK das Gebäude. Dieser zeitliche Rahmen – 20 Sekunden – nahm uns jegliche Gelegenheit, das Haus freiwillig zu verlassen.
Obwohl wir uns alle, auf dem Boden sitzend, als nicht gewaltbereit zu erkennen gaben, wurden wir äußerst rabiat festgenommen, und uns wurden mit Handschellen und Kabelbindern die Hände auf den Rücken gefesselt. Zudem kam es zu Schikanen durch einzelne Polizeibeamte. So wurde beispielsweise eine Frau von einem männlichen Beamten durchsucht und abgetastet, obwohl mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass dies durch eine Beamtin zu geschehen habe. Auch wurde eine Person auf dem Weg zur Ausgangstür von Polizisten in ein Zimmer gedrängt und massiv eingeschüchtert.
Selbst die anwesenden Journalisten empfanden die Verhaftungen als unverhältnismäßig, ebenso wie die Tatsache, dass wir, nach Verlassen des Hauses, noch fast eine halbe Stunde mit stramm angelegten Handschellen auf der Treppe des gegenüberliegenden Schlosshotels sitzen mussten.
Auf dem Polizeipräsidium Römerstraße wurden alle Festgenommenen gegen ihren ausdrücklichen Willen erkennungsdienstlich behandelt und über Stunden, teilweise in Einzelzellen, festgesetzt. Einer minderjährigen Person, welche einen Nervenzusammenbruch erlitt, wurde erst nach einer dreiviertel Stunde ärztliche Hilfe eingeräumt. Erst gegen 20 Uhr konnte der Letzte das Polizeipräsidium verlassen.

Bei dem besetzten Gebäude am Schlosswolfsbrunnenweg 3 handelt es sich um eine Liegenschaft des Landes Baden-Württemberg. Bis vor zwei Jahren diente das Gebäude als Internationales Studierendenzentrum, steht jedoch seit dessen Schließung leer und verfällt zusehends, was unter anderem an nassen Wänden, großflächigen Schimmelpilzspuren, defekten Wasserleitungen und fehlenden Dachziegeln ersichtlich ist. Dieser Zustand ist so nicht hinnehmbar.
Heidelberg ist eine studentisch geprägte Stadt und legt selbst sehr viel Wert auf das Image einer weltoffenen Kulturstadt, in der zumeist junge Menschen zusammen finden und –leben.
Durch steigende Mieten wird es jedoch immer weniger Menschen möglich gemacht, in Heidelberg zu wohnen. Dies betrifft vorrangig sozial schwache Menschen, StudentInnen und MigrantInnen. Von dieser Tatsache ausgehend ist es unverständlich, wie große Gebäude, die in diesem Fall zudem noch dem Land Baden-Württemberg gehören, verfallen.
Das geplante soziale und kulturelle Zentrum „Casa Loca“ sollte dieser Entwicklung entgegentreten. Beabsichtigt war, dort mit eigenen finanziellen wie materiellen Mitteln, unabhängig von jeglichen Finanzierungen durch die Stadt Heidelberg, das Gebäude zu renovieren, wieder instand zu setzen und damit für jedeN erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Dabei sollte es jedoch nicht bleiben. Das Casa Loca sollte ein Freiraum werden, indem sich Menschen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder Religion entfalten und verwirklichen können. Es sollte Platz geschaffen werden für Gruppen, die sich abseits von Parteien und staatlichen Organisationen politisch und sozial engagieren. Es sollten ein Bücherladen für politische Literatur und eine Medienwerkstatt entstehen. Zudem sollten ein Umsonstladen und regelmäßig stattfindende Volksküchen, d.h. Essen zum Selbstkostenpreis, eingerichtet werden. Desweiteren war eine Unterstützungsstelle für MigrantInnen angestrebt, wo beispielsweise kostenfreier Deutschunterricht angeboten werden sollte. Auch sollte das Kulturzentrum einen, als Treff- und Austauschpunkt dienenden, Cafébetrieb führen, sowie Malateliers für KünstlerInnen und Proberäume für Musikgruppen zur Verfügung stellen. Ebenso waren Veranstaltungen wie Konzerte, Theater und Vorträge angedacht.

Mit der Besetzung des Hauses ging es also um mehr, als nur auf die Wohnungsnot in Heidelberg aufmerksam zu machen. Es geht um die Schaffung und den Erhalt von Freiräumen, in denen sich Menschen ohne hierarchische Strukturen, ohne rassistische, sexuelle, soziale oder sonstige Diskriminierung und ohne finanzielle Zwänge bewegen können. Es geht uns um einen Ort, an dem es nicht das Ziel ist, Profite zu erzielen und Menschen in starre Gefüge zu pressen, in denen sie sich beweisen müssen, um die Möglichkeit zu bekommen, ihre Ideen zu verwirklichen. Stattdessen fordern wir selbstverwaltete und selbstorganisierte Orte, die für jedeN zugänglich, unkommerziell und vielseitig sind. Dieses Anliegen ist auch der Stadt Heidelberg nicht neu. Seit der Schließung des Autonomen Zentrum im Jahr 1999 durch die Stadt, fehlt es in Heidelberg an einem solchen Freiraum. Jegliche Versprechen der Oberbürgermeisterin Beate Weber und der Stadtverwaltung, einen gleichwertigen Ersatz zur Verfügung zu stellen, wurden nicht eingehalten. Das Bedarf an einem sozialen und kulturellen Zentrum besteht, zeigt sich nicht zuletzt an den immer wieder stattfindenden Demonstrationen und Kundgebungen, wie z.B. der Demonstration am 31.01.2004 mit 600 TeilnehmerInnen. Ein Anliegen, das nach wie vor schlichtweg ignoriert wird.
Wir, die 14 Personen, welche sich am 31.01. in dem Gebäude befanden und geräumt wurden, sind nur ein kleiner Teil derer, die sich für Freiräume einsetzen. Dabei sehen wir die Auseinandersetzung um Wohnraum und Freiräume nicht nur als regionales Problem an, sondern fordern überall Platz für alternative Wohn- und Kulturprojekte mit politischem Anspruch. Die Lage in anderen Städten zeigt, dass die Versuche seitens der Behörden, soziale Projekte zu zerstören auf heftigen Widerstand stoßen und das Streben nach Freiräumen ein ernstzunehmendes Anliegen ist.
Daher sehen wir unsere Forderungen eng verbunden mit den Forderungen für den Erhalt der Ex-Steffi in Karlsruhe, der KTS in Freiburg, des OBW9 in Stuttgart, mit den Forderungen der BesetzerInnen des Linken Ufers in Mannheim und allen anderen bereits bestehenden und angestrebten Zentren.